Selbst der Deutschlandfunk meldete heute in seinen Nachrichten über “Deutliche Rentenerhöhungen bis 2016” und berief sich dabei unkritisch auf die “Bild”-Zeitung, die Passagen aus dem bisher unveröffentlichten Rentenversicherungsbericht zitiert. Wirtschaft und Gesellschaft liegt dieser Rentenversicherungsbericht ebenfalls vor, und Ursula Engelen-Kefer ist freundlicherweise der Bitte der Redaktion nachgekommen, auf diesen Rentenversicherungsbericht einmal einen genaueren Blick zu werfen und ihn wie die Meldungen zu bewerten.
Die Bundestagswahlen in nicht einmal mehr einem Jahr fest im Blick, buhlen die Parteien um die Gunst der Rentner. Nicht nur die Bekämpfung der Altersarmut steht hoch oben auf der Wahl-Agenda, sondern jetzt auch die Rentensteigerungen. Noch vor seinem offiziellen Erscheinen wird der Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung vermarktet, um die durch die drohende massenhafte Altersarmut schwer gebeutelten Rentner gnädig zu stimmen.
Euphorisch wird verkündet, die Rentner könnten sich auf die höchsten Rentensteigerungen seit Jahrzehnten einstellen – bis 2016 um 8,5 Prozent im Westen und sogar 11,5 Prozent im Osten. Bis 2026 sollen die Renten um insgesamt 36 Prozent steigen – mithin durchnittlich pro Jahr um etwa 2 Prozent.
Dies klingt vor allem nach den Jahren der Nullrunden und Minirenten seit Einführung der Riester Reformen 2001 beeindruckend. Allerdings ist erhebliches „Wasser in den Wein“ zu gießen, wenn diese „frohen Botschaften“ genauer unter die Lupe genommen werden.
Zunächst handelt es sich hierbei um Modellrechnungen, die nur so lange stimmen, wie die Annahmen auch tatsächlich eintreten. So dürfte es bereits jetzt vermessen sein, keinen weiteren Einbruch von Konjunktur und Beschäftigung für die mittelfristige Betrachtung bis 2016 und dann weiter noch auch für die Langfrist-Rechnungen bis 2026 anzunehmen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Wirtschaftsrezession in der Europäischen Union wäre dies zwar erfreulich, aber ist es wenig wahrscheinlich, dass die Bundesrepublik zu einer nachhaltigen „Insel der Seligen“ wird. Dies gilt insbesondere auch für die Annahme kontinuierlicher Bruttolohnsteigerungen von durchschnittlich 2,5 Prozent bis 2016 und sogar 3 Prozent bis 2020.
So eindrucksvoll die Steigerungsraten bei den Renten auch aussehen, so wenig werden sie die tatsächliche Kaufkraft der Rentner steigern. Sowohl auf mittlere, wie auch auf längere Sicht reichen sie zumindest im Westen kaum aus, die Preissteigerungen auszugleichen. Infolge der eskalierenden Finanzkrisen sowie der unbewältigten Energiewende ist mit einem Anstieg der Inflation zu rechnen.
Bereits in den vergangenen 10 Jahren mussten die Rentner einen Kaufkraftverlust von über 10 Prozent durch vier Jahre Nullrunden (2004 bis 2006, 2010) sowie drei Jahre Mini-Anpassungen (2007, 2008, 2011) hinnehmen. Mehr als zwei Drittel sind der Inflation zuzurechnen und das verbleibende Drittel ist eine Folge der einseitigen Erhöhung der Beiträge für Versicherte und Rentner in der Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
Die tatsächliche Belastung der Rentner ist allerdings noch erheblich höher, wenn die erheblich gestiegenen Belastungen für die Gesundheitsversorgung und Pflege berücksichtigt werden. Der derzeitige dramatische Anstieg der Wohnungs- und Energiekosten bringt gerade Rentner an den Rand der finanziellen Leistungsfähigkeit. Im Zusammenwirken mit der drastischen Absenkung des Rentenniveaus durch die Riester Reformen 2001 steigt die Armut in Alter bereits spürbar an und wird in den nächsten Jahrzehnten Millionen von Rentner gefährden. Daran können auch die jetzt verkündeten Modell-Rentensteigerungen nichts ändern.
Es bleibt daher dabei, dass die gesetzliche Altersrente zur Sicherung eines auskömmlichen Lebensstandards nicht ausreichen wird- selbst wenn die optimistischen Annahmen der Bundesregierung eintreffen. Dies passt allerdings in die Politik der schwarz-gelben Bundesregierung, die kapitalgedeckte private Altersvorsorge weiter auszudehnen. Wenn auch ansonsten kaum ein überzeugendes Rentenkonzept in dem heillosen Streit innerhalb und zwischen den Koalitionsparteien erkennbar ist, sind sie sich einig, dass mit der Privatversicherung die so genannte dritte Säule der Alterssicherung gestärkt werden soll. Wie die „unausgegorenen“ Vorschläge zur „Zuschuss- oder Lebensleistungsrente“ zeigen, beschränkt sich das bisherige Einvernehmen auf Anreize bis zum heilsamen „Zwang“, auch die Geringverdiener in die private Riesterrente zu drängen.
Aber auch die SPD muss noch erhebliche Überzeugungsarbeit nicht nur nach außen, sondern in den eigenen Reihen leisten, um diese weit klaffende Lücke eines nachhaltigen Rentenkonzepts zu füllen. Noch so euphorisch und medial gekonnt verbreitete Versprechen der „besten“ Rentensteigerungen seit Jahrzehnten können und dürfen dies nicht zudecken.
Dr. Ursula Engelen-Kefer war von 1990 bis 2006 stellvertretende DGB-Vorsitzende und von 1984 bis 1990 Vizepräsidentin der damaligen Bundesanstalt für Arbeit. Von 1980 bis 1984 leitete sie die Abteilung Arbeitsmarktpolitik einschließlich der Internationalen Sozialpolitik beim DGB. Heute arbeitet sie als Publizistin in Berlin (www.engelen-kefer.de).
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