Heute beherrscht er wieder die Medien und beschäftigt die Euro-Finanzminister – ein möglicher Schuldenschnitt für Griechenland. Wenigstens zwei Berufsgattungen, die die Krisenpolitik für die Eurozone nicht arbeitslos macht. Jeder Job aber verlangt nach einer geeigneten Qualifikation. Dass dies für die einschlägigen deutschen Medien und die Euro-Finanzminister gilt, ist allein aufgrund der Berichterstattung und der katastrophalen Ergebnisse, die die Politik nun schon seit Jahren zeitigt, zu bezweifeln.
Der erste Schuldenschnitt Griechenlands liegt erst wenige Monate zurück. Das Ergebnis kann sich nicht sehen lassen. Die englische Financial Times fasst es so zusammen; sie ist auch deswegen zitierenswert, weil sie den Gegenspieler eines erfolgreichen Schuldenschnitts benennt:
“Die Schuldenlast Griechenlands ist seit dem vergangenen Schuldenschnitt im März rasch angestiegen, weil die Rezession tiefer als erwartet ausgefallen ist und Privatisierungspläne gescheitert sind. Es wird jetzt erwartet, dass die griechischen Schulden bis 2014 auf 190 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen.” (“Greece’s debt burden has ballooned since the last bailout deal in March because the country’s recession has been deeper than expected and because privatisation plans have failed to get off the ground. Greek debt is now expected to peak at 190 per cent of GDP by 2014.)
Die Bundesregierung berichtete am 9. März 2012 dagegen über einen “erfolgreichen Schuldenschnitt“. Damit sei Griechenland eine wichtige Etappe auf dem Weg hin zu seiner Schuldentragfähigkeit vorangekommen, meinte damals der Bundesfinanzminister. Auf 107 Mrd. Euro, so die Bundesregierung, waren durch den ersten Schuldenschnitt die griechischen Staatsschulden gesenkt worden.
Von Wachstum ist in dem Beitrag der Bundesregierung, anders als in der oben zitierten Financial Times, kein Sterbenswörtchen zu lesen. Dass die Bundesregierung im März meinen konnte, Griechenland sei “eine wichtige Etappe auf dem Weg hin zu seiner Schuldentragfähigkeit vorangekommen”, ohne das dafür notwendige Wirtschaftswachstum zu berücksichtigen, zeigt nur, dass sie die Voraussetzungen für eine verbesserte Schuldentragfähigkeit nicht verstanden hat; die jetzigen Forderungen nach einem erneuten Schuldenschnitt blenden ebenfalls das Wirtschaftswachstum aus; es ist als Voraussetzung für einen nachhaltigen Schuldenabbau praktisch nicht in der Diskussion.
Was aber bedeutet eine verbesserte “Schuldentragfähigkeit” bzw. einen geringerer Schuldenstand? Die Schulden werden ins Verhältnis zur Wirtschaftsleistung, zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) gesetzt. Je geringer die Schulden im Verhältnis zum BIP ausfallen, je geringer also die Schuldenstandsquote, desto leichter können die Schulden aus der Wirtschaftsleistung heraus bedient werden – und umgekehrt.
Weil das so ist, muss natürlich jede Einschätzung über eine Schuldentragfähigkeit scheitern bzw. wird zu einem Glücksspiel, die ausschließlich die Schulden, nicht aber die Wirtschaftsleistung im Blick hat.
Die oben zitierte Financial Times stellt den Zusammenhang zwischen Schuldenstand und Wirtschaftswachstum her: Weil die Rezession tiefer ausgefallen ist, als erwartet, ist die Schuldenlast seit dem vergangenen Schuldenschnitt im März wieder rasch angestiegen.
Das europäische Amt für Statistik, Eurostat, meldete :
“Die höchsten Verschuldungsquoten (öffentlicher Schuldenstand im Verhältnis zum BIP) verzeichneten am Ende des zweiten Quartals 2012 Griechenland (150,3%), Italien (126,1%), Portugal (117,5%) und Irland (111,5%)…” Und: “Die höchsten Anstiege verzeichneten Griechenland (+13,4 Prozentpunkte, Pp.), Zypern (+8,3 Pp.) und Portugal (+5,6 Pp.)…”
Eindringlicher kann man das Scheitern der bisherigen Politik, die sich ja auf den Schuldenabbau konzentriert, nicht mit trockenen Zahlen belegen.
Weil von den Ausgabenkürzungen in der Krisenpolitik nicht abgerückt wird, und weil die Krisen-”Manager” sich kein Wachstumsziel setzen, wird auch zukünftig aller Voraussicht nach kein Wirtschaftswachstum generiert werden, das dazu geeignet wäre, den Schuldenstand zu senken. Wie die Einhaltung der Maastricht-Kriterien – eine Defizitgrenze von 3 Prozent und ein Schuldenstand von 6o Prozent des Bruttoinalndsprodukts – zwingend ein nominales Wirtschaftswachstum von 5 Prozent voraussetzen, setzt auch jedes neue Defizit- bzw. Schuldenstandskriterium für Griechenland ein entsprechendes Wirtschaftswachstum voraus bzw. hat es zur Folge.
Das Wirtschaftswachstum in Griechenland aber ist seit 2008 negativ und soll laut Eurostat auch in diesem und im nächsten Jahr weiter sinken. Es ist der Nenner – die Wirtschaftsleistung -, nicht der Zähler – die Staatsschulden -, der über die Schuldentragfähigkeit Griechenlands und anderer Krisenländer entscheiden wird. Ein Schuldenschnitt zäumt das Pferd von hinten auf. Ein Land kann sich nicht aus den Schulden heraussparen, es muss aus den Schulden herauswachsen.
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