Thorsten Denkler feiert Peer Steinbrück auf Süddeutsche online tatsächlich als Sieger über die Kanzlerin im heutigen Geplänkel der “Elefantenrunde” im Deutschen Bundestag. Ich habe beide Reden im Bundestagsfernsehen live verfolgt – und fühlte mich bei Peer Steinbrück an den Bundesparteitag der SPD vor fast einem Jahr erinnert, wo er selbst den eigenen Delegierten nur mühsam Beifall abringen konnte.
Schon damals dachte ich: Steinbrück ist kein guter Redner. Er ist im Gegenteil so schwach, dass es für einen Außenstehenden nicht nachvollziehbar ist, dass er für Reden fünfstellige Summen kassierte. Die Qualität der Rede oder gar die Kunst der Rede jedenfalls kann es doch wohl kaum gewesen sein, die diejenigen bewogen hat, Steinbrück solch horrende Summen zu zahlen, wenn man ihn so reden sieht und hört.
Ich frage mich wirklich, in welchem Film Thorsten Denkler saß, dass er meint, Steinbrück hätte “der Kanzlerin die Hölle heiß” gemacht, dessen hölzerne Rede, deren Inhalte, wenn man sie denn so bezeichnen möchte, allein deswegen schon glatt ins Leere gingen, weil Steinbrück jeden als Angriff auf die Kanzlerin gedachten Vorwurf auch an sich selbst hätte richten können.
Nehmen wir zum Beispiel diese Aussagen Steinbrücks aus seiner heutigen Rede:
“In diesem Koalitionsausschuss haben Sie sich mit keiner einzigen Frage beschäftigt, die den Bürgerinnen und Bürgern im Augenblick unter den Nägeln brennt. Stattdessen Sendepause und Handlungsunfähigkeit: zur Spaltung des Arbeitsmarktes mit Niedrigstlöhnen, zur gleichen Bezahlung von Frauen und Männern, zur Energiewende mit drohenden Strompreiserhöhungen sowohl für private Haushalte als auch für Industrieunternehmen, zur Undurchlässigkeit und Unterfinanzierung unseres Bildungssystems, zur ungerechten steuerlichen Behandlung von Alleinerziehenden, insbesondere Frauen, zu Geschiedenen, die gleichermaßen ihre Kinder betreuen, zu eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften oder zum nach wie vor skandalösen Ehegattensplitting. Nichts dazu!”
Hätte ich nicht gewusst, dass Steinbrück live und an die schwarz-gelbe Koalition gerichtet spricht, ich hätte vielleicht Hoffnung geschöpft: Ist das vielleicht ein Selbstgespräch Steinbrücks, eine Rekapitulation seiner Regierungszeit, und wird er daraus die richtigen Schlussfolgerungen ziehen, hätte ich mich vielleicht gefragt. Aber so.
Oder man nehme diesen Satz Steinbrücks, ebenfalls aus seiner heutigen Rede – und ersetze “diese Koalition” durch “dieser Steinbrück” oder “diese SPD-Spitze”:
“Diese Koalition kämpft nur mit und für sich selbst, aber sie kümmert sich nicht um die konkreten Probleme dieses Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger.”
Bösartig? Keineswegs. Denn Steinbrück geht es wie schwarz-gelb in erster Linie um “ehrgeizige Konsolidierung”, das aber heißt: Es geht auch ihm nicht um die Bürgerinnen und Bürger, Wachstum und Beschäftigung, Bildung…:
“Nie zuvor war die haushaltspolitische Ausgangslage für eine ehrgeizige Konsolidierung und eine zügige Rückführung der Neuverschuldung in Deutschland so günstig wie heute.”
Und der in dieser Hinsicht überaus ehrgeizige Bundesfinanzminister – Schäuble, nicht Steinbrück – geht Steinbrück dabei natürlich immer noch nicht weit genug:
“Lenken Sie mir nicht ab – ich denke an die gestrigen Beiträge, verehrter Herr Schäuble -, indem Sie ankündigen, dass Sie das strukturelle Defizit einige Jahre vor 2016 erreichen wollen. Sie könnten bereits in der Finanzplanung für 2014 die Neuverschuldung insgesamt auf null senken – wenn Sie denn wollten.”
Und der ökonomische Dummkopf von Steinbrück, man kann es wirklich nicht anders nennen, meint doch tatsächlich noch dazu damit gegen die sich “erkennbar eintrübende Konjunktur” “vorsorgen zu können”. Dämlicher geht es nun wirklich nicht!
“2013 wird nach vielen Prognosen ein wirtschaftlich schlechtes, einige sagen sogar: ein für weite Teile der Währungsunion und der Europäischen Union hochproblematisches Jahr. Das wird auf Deutschland abfärben. Obwohl die Wolken am Horizont immer dunkler werden und die Konjunktur sich erkennbar eintrübt, sorgen Sie mit diesem Haushalt nicht vor.”
Hätte er stattdessen das glatte Gegenteil gesagt: Die Bundesregierung müsse jetzt schon durch Mehrausgaben gegensteuern, dann wäre ein ökonomischer Schuh draus geworden; aber das hat Steinbrück ja schon als Finanzminister nicht begriffen, wo er sich bis zuletzt mit Händen und Füßen gegen Konjunkturprogramme wehrte.
So richtig schlecht aber ist Steinbrück erst, wenn er sich untreu wird, wie hier beispielsweise:
“Sie ignorieren sträflich die Drift in der Einkommens- und Vermögensverteilung. Die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland nimmt deutlich zu. Ich empfehle Ihnen, dazu das sehr lesenswerte Buch ´Der Preis der Ungleichheit´ des US-Ökonomen und Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz zu lesen. Der Preis der Ungleichheit bestehe darin, so schreibt er, dass eine Nation nicht mehr in der Lage sei, das Bestmögliche aus den Fähigkeiten ihrer Bürgerinnen und Bürger zu machen. Weiter heißt es, die vermögenden, teilweise durchaus nur noch ihr persönliches Interesse wahrnehmenden Eliten würden Infrastruktur, Bildung und Innovation kaputtsparen. Genau dieses Risiko lastet auch auf der Bundesrepublik Deutschland.”
Gut, dass Stiglitz noch nicht im Grabe liegt, sonst hätte er sich wohl umgedreht, wenn er seine Worte aus dem Munde Steinbrücks gehört hätte. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass – außer einigen unverbesserlichen oder oppertunistischen SPD-Funktions- und Mandatsträgern – irgendjemand Steinbrück abnimmt, für soziale Gerechtigkeit zu streiten.
Und in Sachen Eurokrise treibt es Steinbrück – hier bleibt er sich wieder treu – natürlich um, “wie die Finanzmärkte reagieren”. Eine überzeugende Alternative zur Politik der Bundesregierung vermag er auch hier nicht aufzuzeigen.
Es ist zum heulen, für alle, die sich eine Alternative zur Bundesregierung wünschen, aber Steinbrück ist nun wirklich der allerletzte, der eine Alternative aufzeigen und glaubwürdig vertreten kann.
Neben dieser inhaltlichen Misere, die Steinbrück natürlich heute nicht zum “Sieger” über die Kanzlerin hat werden lassen, verstehe ich aber auch überhaupt nicht, wie man Steinbrück für einen guten Redner halten kann. Er ist kein guter Redner. Schauen und hören sie selbst:
Dagegen dürfte die Kanzlerin selbst auf nicht der CDU nahe stehende Bürgerinnen und Bürger souverän wirken – auch wenn sie inhaltlich nicht besser da steht als Steinbrück; sie steht eben auch nicht schlechter da als er.
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