Die Marktmacht der Energiekonzerne und die Ausnahmeregelungen für die Industrie sprechen dafür, dass deutsche Energiekonzerne einerseits zu hohe Strompreise bei den Verbrauchern abkassieren und andererseits die Industrie über Gebühr entlastet wird. Bundesumweltminister Altmaier hat zudem darauf verwiesen, dass die Börsenpreise für Strom seit dem vergangenen Jahr deutlich gesunken seien. Der Bund der Energieverbraucher sagt, dass die Konzerne mehr als zwei Milliarden Euro zu viel von den Verbrauchern forderten.
Ein Vergleich mit anderen vergleichbaren Industrieländern innerhalb und außerhalb des Euroraums auf Basis der Daten des Europäischen Amts für Statistik, Eurostat, stützt die These von überhöhten Strompreisen jedoch nur bedingt. Ein entscheidender Gesichtspunkt aber fällt in der Diskussion um die Belastung der privaten Verbraucher durch zu hohe Strompreise bisher völlig unter den Tisch.
Zwar zahlen die privaten Haushalte in Deutschland deutlich mehr für Strom als der Durchschnitt des Euroraums. Von den zum Vergleich herangezogenen Ländern zahlen jedoch die Menschen in Luxemburg, Italien, Belgien und Großbritannien zum Teil noch deutlich mehr für ihren Strom.
Die Strompreise für die deutsche Industrie liegen wiederum deutlich unter dem Durchschnitt des Euroraums. Auch ist der Abstand zwischen den Strompreisen für private Haushalte und die Industrie besonders hoch und liegt nur noch in Belgien darüber. Das stützt die These, dass deutsche Verbraucher für die Industrie mitbezahlen.
Darauf, dass die Strompreise die privaten Haushalte in Deutschland stärker belasten als in anderen Ländern, und dafür, dass eine entsprechende Diskussion jetzt die Entwicklung in Deutschland bestimmt, dürfte jedoch ein wesentlicher Sachverhalt mit verantwortlich zeichnen, der bei den oben aufgegriffenen Argumenten völlig außen vor bleibt: die Lohnentwicklung bzw. das Lohnniveau. Denn natürlich würden die Strompreise, selbst wenn sie im Rahmen der Energiewende ansteigen müssten, umso weniger die privaten Haushalte belasten, je höher das Einkommen ausfällt. Und hier zeigt der Vergleich mit den anderen Ländern, dass Deutschland schon im Durchschnitt das geringste Nominallohnniveau unter den herangezogenen Euroländern ausweist (ohne Dänemark, Schweden und England weil Angaben in Pfund und Krone und nicht in Euro); das deutsche Lohnniveau liegt auch unter dem Durchschnitt des Euroraums.
Dass aufgrund der großen und weiter wachsenden Kluft innerhalb der Einkommen viele Menschen in Deutschland noch wesentlich härter von Strompreiserhöhungen betroffen sind, als es diese Durchschnittsangaben vermitteln, ist klar und macht eine angemessene und ausgewogene Lohn- und Einkommensentwicklung genauso wie eine angemessene Höhe sozialer Leistungen auch unter dem Gesichtspunkt einer erfolgreichen Energiewende und tragbarer Strompreise umso dringlicher.
Eine erfolgreiche Energiewende und ihre breite Akzeptanz und Unterstützung in der Bevölkerung ist auch abhängig von einer angemessenen Lohnentwicklung. Das sollte in der Diskussion um hohe Strompreise nicht länger unter den Tisch fallen.
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