Trotz “erfreulicher” Steuerschätzung und angeblichen Booms: Kommunen pfeifen aus dem letzten Loch

Verkehrte Welt: Da jubelt der Bundesfinanzminister gestern noch etwas von “gut aufgestellten Finanzen” und heute bietet ihm ausgerechnet eine Unternehmensberatung Paroli und zeigt mehr Problembewusstsein als die Bundesregierung.

Na ja, das ist bei näherem Hinsehen auch schon wieder übertrieben. Denn natürlich darf man von Ernst & Young nicht die richtigen Schlussfolgerungen erwarten; deren Schussfolgerungen lauten doch tatsächlich: “Sozialausgaben verhindern finanzielle Gesundung der Kommunen.” Klar, dass eine private Unternehmensberatung bei den Ausgaben, und dann gleich bei den Sozialausgaben, den Hase im Pfeffer liegen sieht. Eine Problematisierung der Einnahmeseite könnte ja schnell höhere Steuern für Unternehmen und Spitzenverdiener nach sich ziehen, und das würde doch die Kundschaft allzusehr verschrecken.

Aber immerhin verweisen einige Ergebnisse auf richtige Sachverhalte, die den ganzen Hype um die Steuerschätzung und die immerwährende Konsolidierung der Staatshaushalte über Ausgabenkürzungen ad absurdum führen.

Greifen wir den zentralen Punkt heraus, die Investitionen:

Im Jahr 2012 sollen die Gesamtinvestitionen der Kommunen nur um durchschnittlich 0,5 Prozent steigen, um im Jahr 2013 um 0,4 Prozent zu sinken. Die bereits in den vergangenen Jahren geringe kommunale Investitionstätigkeit bleibt also auf diesem niedrigen Niveau.

Und wie wollen die Gemeinden das auffangen? Laut Ernst & Young so:

Maßnahmen zum Haushaltsausgleich (Zur Vergrößerung auf Graphik klicken.)

60 Prozent wollen demnach die notwendigen Instandhaltungsinvestitionen kürzen. Damit setzt sich ein Trend fort den wir auf Wirtschaft und Gesellschaft bereits im März 2012 ausführlich problematisiert haben. Ein Fazit daraus: “Mit dem Auslaufen der Konjunkturprogramme hat die Sparpolitik wieder Oberhand gewonnen. Die Investitionsrückstände drohen sich daher wieder weiter zu vergrößern.”

Interessant darüber hinaus die Antworten auf die Auswirkungen der Schuldenbremse auf die Kommunen:

Auswirkungen der "Schuldenbremse" für Kommunen (Zur Vergrößerung auf Graphik klicken.)

Ganz konkret wird es schließlich, wenn es darum geht, in welchen Bereichen gekürzt werden soll:

20 Prozent der Kommunen wollen die Straßenbeleuchtung reduzieren oder haben sie bereits reduziert. 16 Prozent wollen die Angebote in der Jugend- und/oder Seniorenarbeit kürzen oder haben diese bereits gekürzt. 14 Prozent wollen Hallen- und Freibäder schließen oder haben diese bereits geschlossen. 7 Prozent wollen den öffentlichen Nahverkehr reduzieren und Bibliotheken und sonstige kulturelle Einrichtungen schließen oder haben diesen bereits reduziert und diese geschlossen. Drei Prozent wollen Kitas schließen oder einschränken oder haben dies bereits unternommen. Ein Prozent will Theater oder Opern schließen oder haben dies bereits getan.

Lassen wir zum Schluss noch einmal den Bundesfinanzminister zu Wort kommen. Der sagte gerade gestern im Rahmen der veröffentlichten Steuerschätzung: “Die Ergebnisse der aktuellen Steuerschätzung für das Jahr 2012 sind für Bund, Länder und Gemeinden erfreulich. Unsere Politik der wachstumsfreundlichen Konsolidierung funktioniert. Die Weichen sind richtig gestellt.“

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