Wir haben uns bereits gestern kritisch mit der Rede Steinbrücks in der Elefantenrunde auseinandergesetzt. Eine Aussage Steinbrücks – gleich zu Beginn seiner Rede – wollen wir ihnen jedoch nicht vorenthalten. Sie hat es verdient, zum Zitat des Tages gekrönt zu werden – diesmal auch mit einem unmittelbar anschließenden parlamentarischen Zwischenruf des Tages.
Während eine von Gerhard Schröder geführte rot-grüne Bundesregierung mit mutigen, auch mit umstrittenen Reformen Deutschland modernisiert hat, während eine Große Koalition mit maßgeblichen Beiträgen der SPD für eine sehr kluge Antikrisenpolitik gesorgt hat, die Konjunktur und Beschäftigung in Deutschland stabilisiert hat, stellt sich die Frage, welche nennenswerten Initiativen die schwarz-gelbe Bundesregierung, die Koalition in den letzten drei Jahren für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland ergriffen hat.
Soweit Peer Steinbrück gestern im Deutschen Bundestag.
Was aber ist daran “mutig” – um es einmal etwas plakativ, aber durchaus von der Sache und vom Ergebnis der “Reformen”, also der Agenda 2010, her richtig – auszudrücken, die Interessen von mächtigen Lobbyisten und Konzernen zu bedienen, die Reichen reicher und die Armen ärmer zu machen – zum Beispiel durch Senkung des Spitzensteuersatzes, durch Senkung der Unternehmenssteuern, durch die Liberalisierung der Kapitalmärkte und eine pauschale Abgeltungssteuer für deren Casino-Gewinne oder durch nicht zur Existenz reichende, verfassungswidrige Hartz IV-Sätze, die brutale Sanktionspraxis, die Zerstörung der Rentenformel, die Teilprivatisierung der Rente, Praxisgebühr, uferlose Zeit- und Leiharbeit?
Wenn das die “nennenswerten Initiativen” sind, die Steinbrück sich wünscht, dann lieber keine! Im übrigen musste Steinbrück auch zur Zeiten der Großen Koalition als Finanzmiister erst zu der von ihm jetzt gelobten “Antikrisenpolitik” gedrängt werden.
“Mutig” wäre es demgegenüber gewesen, den Sozialstaat der Bundesrepublik nach 16 Jahren Kohl wieder auszubauen, die gesetzliche Rente gegen die private Versicherungswirtschaft zu verteidigen und zu stärken, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze durchzusetzen und die Tarifautonomie zu stärken. Das, was Steinbrück als mutig ansieht, ist in Wahrheit politische Feigheit gewesen, Duckmäusertum gegenüber mächtigen Interessen, fehlende politische Eigenständigkeit und fehlendes Gemeinwohlinteresse. Wie weltfremd Steinbrück ist, zeigt auch seine Aussage, dass wir es mit einer “sehr bewährten Sozialpartnerschaft zu tun” hätten. Schröder hat genau diese zerstört, indem die von Steinbrück als “mutig” bezeichneten “Reformen die Gewerkschaften nachhaltig geschwächt haben.
Ob die SPD-Linke im Plenum Steinbrück zu diesen Sätzen auch Beifall geklatscht hat – sie sollte es, denn schließlich hat sie ihn im Vorstand einstimmig zum designierten Kanzlerkandidaten gekürt, und auf dem Bundesparteitag vor fast genau einem Jahr hat Steinbrück – wie im übrigen auch Gabriel und Steinmeier – nicht anders geredet. Die Agenda 2010 steht bei allen dreien noch immer hoch im Kurs, was sich auch in der aktuellen Rentenpolitik zeigt.
Dagegen bewegt sich der parlamentarische Zwischenruf von Hermann Gröhe (CDU/CSU) in Richtung Steinbrück und bezogen auf dessen oben zitierte Aussage: “Sie waren nie da!” wohltuend nah an der Wirklichkeit.
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