Das Statistische Bundesamt hat am 29. November 2012 wertvolle Daten zur Entwicklung und zum Stand des deutschen Außenhandels vorgelegt. Erstaunlich ist, dass die Veröffentlichung überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wurde; das legt zumindest eine Suche bei google news nahe, wo hierzu kein einziger Eintrag erscheint.
Dabei hätte die deutsche Presse wieder so richtig etwas zu feiern gehabt, steht sie den Exporterfolgen doch nahezu ausschließlich positiv gegenüber. Hier einige Daten, die das Statistische Bundesamt in seiner Veröffentlichung, “Export, Import, Globalisierung“, präsentiert:
“Seit dem Jahr 2000 sind die Ausfuhren Deutschlands um 77 % gestiegen und die Einfuhren um 68 %. Der Handelsbilanzsaldo ist sogar um 167 % gewachsen.”
Wie erklärt das Statistische Bundesamt nun diese Entwicklung? Immerhin verspricht es einleitend, “analytische Hinweise zur aktuellen Entwicklung im Außenhandel”.
Als wäre die Zeit stehen geblieben, schafft es das Statistische Bundesamt doch tatsächlich nicht, über die Nebelkerze “Globalisierung” hinaus Ursachen für die Entwicklung des deutschen Außenhandels zu nennen:
“Der deutsche Außenhandel hat im Zuge der weltweiten Globalisierungsprozesse in den letzten Jahren ein- und ausfuhrseitig deutlich zugenommen. Die Globalisierung hat nicht nur zu einer starken Expansion des internationalen Handels, sondern auch zu einer Internationalisierung der Produktionsprozesse geführt. Globale Wertschöpfungsketten spielen vor allem bei der Herstellung komplexer technischer Produkte eine immer größere Rolle und haben einen starken Anstieg grenzüberschreitender Warenströme auf allen Produktionsstufen zur Folge.”
Das Wort “Lohnstückkosten” taucht in der Schrift nicht ein einziges Mal auf; und das Wort Wettbewerbsfähigkeit lediglich einmal, allerdings nur selbsterklärend:
“Die Export-Performance spiegelt aber nicht nur die deutsche Wettbewerbsfähigkeit wider, sondern wird auch durch externe Faktoren beeinflusst. So können Rückgänge des Export-Performance-Index (EPI) zumindest zum Teil auf stark steigende Energiepreise zurückgeführt werden.”
Das ist für sich genommen schon eine ordentliche Begrenzung des analytischen Horizonts; noch mehr aber muss das alleinige Abstellen auf “die Globalisierung” verwundern, weil das Statistische Bundesamt gleichzeitig herausstellt:
“Weit mehr als die Hälfte aller deutschen Ausfuhren und Einfuhren
entfällt auf die EU – Der deutsche Außenhandel verteilt sich in abnehmender Bedeutung auf die Erdteile Europa, Asien, Amerika, Afrika sowie Australien und Ozeanien. Diese Reihenfolge ist einfuhrseitig seit vielen Jahren unverändert. Bei der Ausfuhr tauschten Amerika und Asien wiederholt den zweiten und dritten Platz.”
Gilt “die Globalisierung” für diese Länder – von denen die meisten teils hohe Leistungsbilanz- und auch Handelsbilanzdefizite gegenüber Deutschland ausweisen, etwa nicht?
Und stellen nicht auch diese Überschriften “die Globalisierung” als wie auch immer geartete Erklärungsgröße in Frage:
“Vier der fünf größten Ausfuhr-Handelspartner Deutschlands
im Jahre 2010 gehörten schon 1980 hierzu”
“Jeweils 75 % der deutschen Aus- und Einfuhren werden
mit nur 17 Partnerländern gehandelt”
Der Chefökonom der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD), Heiner Flassbeck, kommentierte die Herangehensweise des Statistischen Bundesamts gegenüber Wirtschaft und Gesellschaft mit den Worten:
“Man müsste das Statistische Bundesamt, wie alle anderen, die über Ersparnisse (hier den Leistungsbilanzsaldo) schreiben, zwingen, immer gleich über die Schulden zu schreiben, die den Ersparnissen zwingend gegenüber stehen. Dann würden mehr Leute vielleicht allmählich begreifen, dass Sparen und Schulden die zwei Seiten der gleichen (Un)tugend sind.”
Die aufbereiteten Zahlen und Graphiken sind jedoch auch für sich genommen sehr wertvoll – und für eigene Analysen.
Greift man sich beispielsweise die Angaben zu Frankreich heraus, dass ja aktuell von Deutschland überaus bevormundet und kritisiert wird, so ließe sich wünschen, dass dem ein oder anderen der deutschen Sprache mächtigen Franzosen in politischer Verantwortung diese Veröffentlichung in die Hände fällt und die französische Regierung entsprechende Schlussfolgerungen zieht. So heißt es ebenda:
“Frankreich wichtigster Handelspartner Deutschlands beim Export
Bei den wichtigsten deutschen Exportgütern variieren die größten Abnehmerländer und ihre Reihenfolge recht stark. Nur Frankreich, der traditionell wichtigste Handelspartner Deutschlands, befindet sich bei allen wichtigen Güterabteilungen unter den fünf wichtigsten Abnehmerländern.”
Ja, dafür verschuldet sich Frankreich ja auch kräftig mittels Handels- und Leistungsbilanzdefiziten gegenüber Deutschland. So hat Deutschland 2011 laut der in der Veröffentlichung ausgewiesenen Statistik Waren im Wert von über 101 Mrd. Euro nach Frankreich verkauft, aber von dort nur Waren im Wert von rund 66 Mrd. eingekauft. Ein schlechter Tausch für Frankreich. Dumme Globalisierung. Es könnte aber auch etwas damit zu tun haben, dass Frankreich sich getreu der vertraglichen Vereinbarung seit Bestehen des Euros an das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank gehalten hat, das auch Deutschland unterschrieben hat, dieses aber fortlaufend unterboten und somit an preislicher Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Frankreich gewonnen hat. Die OECD hat jüngst darauf verwiesen, dass in Deutschland “ein 23%iger Anstieg der relativen Lohnstückkosten im Vergleich zu den übrigen Ländern des Euroraums erforderlich” wäre, “um das Niveau der relativen Wettbewerbsfähigkeit von 1998 wieder herzustellen.” Und Frankreich ist natürlich auch Deutschlands Haupthandelspartner im Euroraum. Schön, dass, wenn das Statistische Bundesamt schon selbst nicht den Außenhandel entsprechend tiefer analysiert, zumindest die Daten dafür liefert.
Interessant auch – ein ganz anderes Thema -,dass der deutsche Außenhandel mit den anderen Ländern in der EU von wenigen Unternehmen dominiert wird.
“So sind für 75 % der gehandelten Werte nur 2 550 Exporteure (1,0 % aller in die EU exportierenden Unternehmen) und nur 2 965 Importeure (0,6 % aller aus der EU einführenden Unternehmen) verantwortlich.
Im Jahr 2011 betrug die Gesamtzahl der Exporteure 248 000 und die der Importeure 508 000. Das bedeutet, dass die Verteilung der Exporte und Importe auf die Unternehmen extrem disproportional ist, was sich in der Grafik anhand der stark negativen Krümmung zeigt. Wären die Exporte bzw. Importe gleichmäßig auf alle Unternehmen verteilt, würde in der grafischen Darstellung eine flach ansteigende Gerade resultieren.”
Zwar schreibt das Statistische Bundesamt ebenfalls, dass “annähernd jeder vierte Arbeitsplatz heute vom Export abhängt”; wie die hohe Exportabhängigkeit, ist aber auch diese Konzentration auf wenige Unternehmen sicherlich alles andere als ein Garant für eine stabile wirtschaftliche Entwicklung.
—
Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.
Wenn nur 100 Wirtschaft und Gesellschaft abonnieren…
Dieser Text ist mir etwas wert
|
|