Das Jahr 2012 stand, wie die Jahre zuvor, im Zeichen des Sparens. Besonders die deutsche Regierung – aber auch die Opposition ist nicht frei davon – setzt im eigenen Land wie im europäischen Ausland auf Ausgabenkürzungen. So gründlich sind die Deutschen wieder einmal, dass selbst die Chefin des IWF, Christine Lagarde, meint, die Bundesregierung davor waren zu müssen, “zu sehr zu sparen.”
Freilich stellt auch sie die Ausgabenkürzungen nicht in Frage, im Gegenteil, Lagarde im Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit:
“Die Griechen mussten zeigen, dass sie in der Lage sind, etwas zu tun. Und sie haben etwas getan. Sehen Sie sich die Ausgabenkürzungen an. Da ist viel passiert.”
In der Tat ist viel passiert, nur dass die Griechen die Ergebnisse dieser Ausgabenkürzungen sicherlich ganz anders interpretieren als Lagarde. Lagardes´ Plädoyer für eine langsamere Konsolidierung in Deutschland zielt lediglich darauf, dass die durch die massiven Einschnitte in den Krisenländern hervorgerufene Rezession in der Eurozone sich nicht noch weiter vertieft. Die sozialen Verwerfungen und die durch die Austeritätspolitik in die Knie gezwungene Wirtschaft hinterfragt auch Lagarde nicht. Dafür spricht auch der jüngste IWF-Länderbericht über Frankreich.
Die Aussagen führender deutscher Politiker und Wirtschaftswissenschaftler zum Ende des Jahres, eine zurückhaltende Oppositon, wie auch eine nicht erkennbare “Wächterfunktion” der Medien geben zu der Vermutung Anlass, dass auch das Jahr 2013 unter dem nicht verglühen wollenden Stern des Gürtel enger schnallens stehen wird. Wobei diese Politik weniger einem Stern als einem schwarzen Loch zu gleichen scheint. Vier Tage vor Jahresende berichtet der Deutschlandfunk in seinen Nachrichten:
“Bundesfinanzminister Schäuble mahnt bei den Tarifrunden im nächsten Jahr zur Zurückhaltung. Er halte moderate Lohnerhöhungen für möglich, sagte Schäuble der “Bild”-Zeitung. Man sollte aber in wirtschaftlich unruhigen Zeiten Maß halten und nicht übertreiben. Zuvor hatte sich der Chef der Wirtschaftsweisen, Franz, für niedrigere Lohnabschlüsse ausgesprochen. Der gesamtwirtschaftliche Verteilungsspielraum belaufe sich 2013 nur auf rund zwei Prozent, betonte Franz.”
Die Äußerungen des “Wirtschaftsweisen” Franz haben wir bereits gestern aufgegriffen und hinterfragt. Die Deutschen scheinen einfach nicht anders zu können, ist man vor diesem Hintergrund geneigt zu resignieren: Die Katastrophe muss erst eintreten bzw. sie selbst erreichen, damit die Verantwortlichen aufwachen.
Umso prekärer ist, dass die Opposition – Bündnis 90/Die Grünen, SPD – ein Teil dieser politisch gemachten Alternativlosigkeit ist. Die Linke steht etwas hilflos daneben, teils weil sie die Medien ausblenden, teils weil ihre Ausstrahlung auch nicht dazu geeignet ist, breitere Bevölkerungsschichten zu erreichen.
Weil weder Grüne und noch weniger die SPD ihre vergangene Politik in Regierungsverantwortung grundsätzlich in Frage stellen, ja, wie der Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, sogar stolz auf sie sind, sind selbst die bescheidenen Korrekturen, die Grüne und SPD jetzt in Aussicht stellen, unglaubwürdig und, so vermute ich zumindest, nicht geeignet, die Wahlbeteiligung zu verbessern, vor allem aber werden sie nicht die soziale und wirtschaftspolitische Alternative bringen. Es wird 2013 eine der spannendsten Übungen sein, zu beobachten, inwieweit die Selbstbegeisterung der SPD trägt und geeignet ist, die “normalen” Menschen, die dem Politikbetrieb fernstehen, zu erreichen, zu überzeugen und zu mobilisieren.
Eine der schockierendsten Entdeckungen diesbezüglich war, dass in der SPD auch die Politiker, die nicht selten vorgaben, sich von der unsozialen Politik ihrer eigenen Partei zu distanzieren, im Deutschen Bundestag für Hartz IV, die Teilprivatisierung der Rente und die Absenkung des Rentenniveaus gestimmt haben. Dieses politische Armutszeugnis verrät viel darüber, wie der Politikbetrieb funktioniert bzw. nicht funktioniert.
Völlig offen ist, wie sich die Eurokrise weiter entwickeln wird. Vieles spricht dafür – vor allem das Festhalten an Ausgabenkürzungen, der damit verbundene wirtschaftliche Niedergang und der wahrscheinliche Anstieg der ohnehin schon unvorstellbar hohen Arbeitslosigkeit und sozialen Not -, dass sich die Krise weiter verschärfen wird. Die Sparempfehlung des IWF an die französische Regierung, wie der allgemeine, auch von deutscher Seite auf Frankreich ausgeübte Druck sind geeignet, auch das nach Deutschland wirtschaftlich zweitstärkste Land in der Eurozone tief in die Rezession zu stoßen.
In Italien könnte die Sparpolitik schon im kommenden Jahr den Rechtspopulisten Berlusconi wieder an die Macht bringen. Generell stellt die Politik der EU-Troika längst die Demokratie zur Disposition!
Die bescheidenen Trockenübungen der Opposition in Deutschland – hier ein Bankenpapierchen, dort mal etwas an der selbst verursachten Altersarmut herumgedoktort – versprechen nicht den notwendigen Druck und die notwendige Überzeugungskraft für eine tatsächliche Wende in der deutschen Politik.
Die Vorhersage ist daher, dass die deutsche Politik nach der Methode Versuch und Irrtum, ohne Eingeständnis der bisherigen Irrtümer, weiter ihren Gang nimmt. Offen ist, ob dieses deutsche Weiterso nicht noch vor der Bundestagswahl von den Folgen der Eurokrise eingeholt wird. Massenunruhen, auch der Sturm auf Regierungen in Ländern wie Griechenland und Spanien sind angesichts der verzweifelten und aussichtslosen Situation für sehr viele Menschen in diesen Ländern nicht auszuschließen.
Die Alternative lässt sich in eine conditio sine qua non fassen: Vor allem die Deutschen müssen mehr ausgeben als einnehmen, also Ausgabenüberschüsse bilden. So könnten wirksame und nachhaltige Impulse für Wachstum und Beschäftigung nicht nur bei uns, sondern in der Eurozone insgesamt gesetzt werden. Allein, die Deutschen marschieren in die entgegengesetzte Richtung. So bleibt vorläufig nur eines: zu hoffen.
Umso mehr gilt es, allen ein gesundes und glückliches Neues Jahr zu wünschen; nichts ist bekanntlich so schwer vorherzusagen wie die Zukunft; in diesem Sinne,
einen guten Rutsch ins Neue Jahr,
Florian Mahler
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