Noch schlechter als dem Gastgewerbe geht es vielen dort Beschäftigten!
Umsatz im Gastgewerbe

Heute hat das Statistische Bundesamt den Gastgewerbeumsatz im Oktober 2012 gemeldet. Er ist real um 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gesunken. Für den Zeitraum zwischen Januar bis Oktober sieht es nicht viel besser aus; das Gastgewerbe setzte gegenüber den ersten zehn Monaten des Vorjahres real lediglich 0,3 Prozent mehr um. Noch schlechter als dem Gastgewerbe geht es allerdings vielen dort Beschäftigten!

Luxus-Caterer profitieren von wachsender Einkommens- und Vermögenskonzentration

Zunächst ist noch eine Zahl interessant, die das Statistische Bundesamt in seiner Meldung bereithält: “Innerhalb der Gastronomie stieg der Umsatz der Caterer nominal um 4,4 % und real um 3,1 %.”

Das ist insofern interessant, weil die offensichtlich kräftig wachsende Branche der Caterer doch ganz hervorragend zur wachsenden Kluft in der Einkommens- und Vermögensentwicklung passt. Denn das Catering, so kenne ich es zumindest aus Erzählungen von Gastronomen, die in diesem Zweig tätig sind, bedient zu einem gewichtigen Teil das Hochpreissegment in der schönen neuen Unternehmenswelt. Leider erlaubt die Statistik hier keine detaillierte Auswertung.

Die Ausrichtung von Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen zählt zum Beispiel dazu. Doch damit nicht genug: In Berlin gibt es darüber hinaus sogar Penthouse-Wohnungen mit eigenem Catering-Aufzug! Hier scheint Geld keine Rolle zu spielen. Was nicht heißt, dass die Mitarbeiter, die den Service ausführen, entsprechend den gutgehenden und umsatzstarken Geschäften verdienen. Mehr aber wahrscheinlich, als die Beschäftigten in Restaurants, Kaffeehäusern, Bars und Kneipen.

Sechs Euro brutto

Hierzu wurde mir gerade neulich zugetragen, dass in solchen Etablissements Beschäftigte nicht selten für sechs Euro brutto arbeiten. Weil sie mit diesem Stundenlohn bei einer normalen Arbeitszeit nicht die Existenz sichern können, sehen sie sich gezwungen, ihre Stundenzahl zu erhöhen – mit der Folge, dass der Nettostundenlohn noch einmal deutlich niedriger als der schon Brutto als Hungerlohn anzusehende Betrag liegt, nämlich bei vier Euro.

Eine gerade erschienene Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung liefert auch hierfür einen Hintergrund:

“Seit der Reform der Minijobs im Jahr 2003 konnten im Rahmen einer geringfügigen Tätigkeit bislang bis zu 400 Euro verdient werden, ohne dass Steuern und Sozialabgaben für den Arbeitnehmer anfielen. Dabei ist die Arbeitszeit nicht begrenzt und es ist unerheblich, ob der Minijob  haupt- oder nebenberuflich ausgeübt wird.”

Vor allem in kleineren Betrieben (1-9 Beschäftigte), in der Gastronomie und im Einzelhandel, aber auch noch in mittelgroßen Betrieben (10-99 Beschäftigte) würden die Minijobs reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verdrängen, so die Forscher.

Weiter heißt es dort:

“Aus betrieblicher Sicht dienen atypische Verträge vor allem dazu, die tatsächlichen oder antizipierten Personalkosten zu senken und die  Flexibilität zu erhöhen. Die  Bruttostundenkosten für geringfügige Arbeit fallen nämlich de facto geringer aus als bei versicherungspflichtig Beschäftigten (Bäcker 2007; Weinkopf et al. 2009): Die prozentual höheren Sozialabgaben, die der Arbeitgeber bei Minijobs entrichten muss, werden dadurch wettgemacht, dass die Stundenlöhne der Minijobber oft niedriger sind als die von vergleichbaren sozialversicherungspflichtig Beschäftigten…Die mittleren Bruttostundenlöhne von Minijobbern [sind] im direkten Vergleich zu allen atypischen Beschäftigungsformen die niedrigsten.” (Vergleiche hierzu: Minijobs verdrängen sozialversicherungspflichtige Stellen und hier).

Aktion!

Vielleicht wäre es tatsächlich zu empfehlen, sich in jedem Restaurant und Kaffeehaus, in dem man sich niederlässt, zunächst den Chef zu bestellen und ihn zu fragen, welchen Stundenlohn er denn seinen Angestellten zahlt. Je nachdem, ob einem der dann genannte Lohn als gerecht oder zumindest existenzsichernd erscheint, bleibt man dann sitzen und bestellt oder steht wieder auf und geht. Erhält man keine Antwort, wäre dies natürlich auch eine Antwort. Vielleicht versuchen Sie es mal. Es setzt natürlich etwas Courage voraus und zwingt einen aller Wahrscheinlichkeit nicht selten, das Restaurant oder die Kneipe oder das Kaffeehaus wieder zu verlassen. Aber stellen wir uns einmal vor, dies würde zur Regel werden und plötzlich würden sich die vielen Ausbeuter in den Gastronomiebetrieben damit konfrontiert sehen, dass Gäste fortlaufend nach den Stundenlöhnen fragen und im Zweifel aufstehen und wieder gehen!

Das Tollste daran: Würde sich dies durchsetzen und würden in Folge alle Beschäftigten in der Gastronomie deutlich mehr verdienen, dann, ja dann hätten auch die Gastronomen etwas davon; denn dann könnten es sich diese Beschäftigten ja auch wieder leisten, etwas essen und trinken zu gehen, und weil sie auf Basis eines deutlich besseren Stundenlohns ihre ungehörigen, aus der schieren Not bedingten Arbeitszeiten auf ein Normalmaß zurückschrauben könnten, hätte sie auch die nötige Zeit, ihr Geld wieder auszugeben.

Erfahrungsberichte nimmt Wirtschaft und Gesellschaft gern entgegen (info@wirtschaftundgesellschaft.de, Betreff: Gastronomie).

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