Das Niveau des angehenden Bundestagswahlkampfs wird nicht besser. Noch nicht, möchte man hoffend hinzufügen. Denn noch ist es ja etwas hin bis zum September. Ausgerechnet SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück rückt Kanzlerin Merkel mit der Drohung zu Leibe, sie würde “kneifen”.
Basis des Ganzen: Steinbrück hat den nun wirklich sensationell inhaltsreichen Vorschlag gemacht, statt des bisher üblichen einmaligen Fernseh-”Duells” zwischen Kanzlerkandidat und Kanzlerin, zwei Duelle abzuhalten. Merkel soll dies abgelehnt haben. Ja, hat Steinbrück denn etwa Angst, Merkel nicht gleich beim ersten Versuch zur Strecke zu bringen? Doch nicht nur das: Ist er nicht erwiesenermaßen selbst oberster politischer Kneifer der Republik?
Im Gespräch mit dem Filmemacher und Theaterregisseur Andres Veiel, das Wirtschaft und Gesellschaft erst vor gut einer Woche geführt hat, wurde jedenfalls deutlich, dass Steinbrück ein Podium zur Thematik des derzeit an den Bühnen Schauspiel Stuttgart und Deutsches Theater Berlin aufgeführten Stücks “Das Himbeerreich” zunächst zugesagt und dann doch mit äußerst fadenscheiniger Begründung wieder abgesagt hat. Das Stück dreht sich um die Finanzkrise. Und da hat Steinbrück nun wahrlich keine rühmliche Rolle als ehemaliger Bundesfinanzminister gespielt. Es ist offensichtlich, dass Steinbrück hier aus Furcht davor, dass seine unrühmliche Rolle als Finanzmarktderegulierer auf dem Podium hervorgeholt werden würde, “gekniffen” hat, um es in Steinbrücks Worten auszudrücken.
Und als wolle er diesen Eindruck noch einmal unterstreichen, hat er auf der gerade zurückliegenden SPD-Vorstandsklausur in Potsdam erneut gekniffen: SPD: Steinbrück wäscht seine Hände in Unschuld – warum man die SPD in ihrem jetzigen Zustand nicht wählen sollte
Brauchen wir aber einen verantwortungsscheuen Bundeskanzler? Ich meine nicht.
Offen ist darüber hinaus auch noch die Frage, ob Steinbrück “kneift”, meine Wohnzimmer-Einladung anzunehmen und tatsächlich nur bei SPD-Genossen vorbeischaut.
Was noch dazu bei solch inhaltslosen Spielchen, wie sie Steinbrück und die SPD jetzt betreiben, durchklingt, ist der Polit-Macho Steinbrück, der eben auch gern mal die Kavallerie auf andere Länder loslässt, als kenne er die brutale Schlacht des General Custer nicht, auf die er mit jenen Worten angespielt hat. Immerhin das hat er später selbst eingestanden, wenn auch mit völlig unpassenden und erschreckend verständnislosen Worten für jenes Gemetzel und die verzweifelte letzte Abwehr einer brutal verdrängten und gemordeten indianischen Urbevölkerung.
Brauchen wir aber einen primitiven, unsensiblen und geschichtsvergessenen Bundeskanzler? Ich meine nicht.
Dabei ließ Steinbrück doch gerade erst selbst verlauten, nun endlich inhaltlich werden zu wollen. Wirtschaft und Gesellschaft hat bereits vor einigen Wochen versucht, ihm dabei auf die Sprünge zu helfen. Vielleicht lässt ihm das mal jemand zukommen:
Eurokrise: Wenn Steinbrück jetzt noch einen, den entscheidenden Schritt wagt, ist er tatsächlich fähig zum Kanzler
Denn in der Tat wäre eine inhaltliche und programmatische Alternative zum Kurs der Kanzlerin nun wirklich wünschenswert. Mit dem, was Steinbrück und die SPD bis jetzt bieten, werden sie aber außer ein paar folgsame und denkmüde SPD-Genossen – ein Blick in SPD-Twitter-Meldungen ist in dieser Hinsicht erschreckend aufschlussreich – nicht hinter dem Ofen zur Wahlurne locken. Zumindest wäre zu hoffen, dass der gemeine Wähler etwas mehr unter einer Alternative versteht.
Abschließend: Wollen Sie wirklich zwei solcher TV-”Duelle” sehen, oder ist nicht eines schon zu viel? Hier das TV-Duell von Merkel und Steinmeier zur Bundestagswahl 2009:
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