CDU/SPD: Alle wollen soziale Gerechtigkeit – die SPD sogar mit dem reichsten Mann der USA

Oh, oh, oh, was ist jetzt schon wieder los in der BRD. Heute noch Bundesreichenrepublik Deutschland, morgen vielleicht schon wieder die gute alte Bundesrepublik? Das Versprechen “Wohlstand für alle” liegt in der Luft. Vielleicht ist es aber wieder nur ein Versprecher.

Eines jedenfalls war doch auffallend in den Nachrichten am Wochenende:

Pünktlich vor dem sonntäglichen Kirchgang meldete der Deutschlandfunk in seinen 9 Uhr Nachrichten:

Sonntag, 27. Januar 2013 09:00 Uhr

Kauder kündigt Wahlkampf zum Thema Gerechtigkeit an

Unionsfraktionschef Kauder will das Thema Gerechtigkeit ins Zentrum des Bundestagswahlkampfs seiner Partei rücken. Dazu zähle die Frage, wie ein Ausgleich zwischen der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Gerechtigkeit in der Arbeitswelt hergestellt werden könne, sagte der CDU-Politiker der “Welt am Sonntag”. Ein wichtiges Thema sei die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen. Kauder erneuerte zudem die Forderung nach Einführung einer allgemeinen Lohnuntergrenze. Wenn jemand den ganzen Tag arbeite, müsse er auch davon leben können. Die FDP sollte sich hier bewegen, betonte Kauder.

Einige Stunden später war dann auch die SPD soweit. In den 18 Uhr Nachrichten des selben Senders hieß es:

Sonntag, 27. Januar 2013 18:00 Uhr

Gabriel: SPD will für soziales Gleichgewicht in Deutschland sorgen

Die SPD will das Thema soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt des Bundestagswahlkampfes stellen. Man wolle wieder das erreichen, was Deutschland stark gemacht habe – nämlich ein soziales Gleichgewicht, sagte Parteichef Gabriel am Rande einer Vorstandsklausur in Potsdam. Die SPD wolle einen leidenschaftlichem Blick auf die inneren Zustände der Gesellschaft richten und Politik von unten machen. Gabriel rief dazu auf, um Stimmen von Anhängern der Linken und der Piratenpartei zu werben. Jede Stimme für eine der beiden Parteien sei verschenkt, wenn man einen Richtungswechsel wolle. Einem Bündnis mit der Linken auf Bundesebene erteilte Gabriel erneut eine klare Absage.

Die SPD erhielt dafür in den Informationen am Abend sogar einen eigenen Sendeplatz. Darin hieß es doch einigermaßen vielsagend: “Was eine Woche in der Politik verändern kann”. Ja, was kann denn eine Woche in der Politik wirklich verändern? 10 Jahre Agenda 2010 etwa? Wäre ja ´ne dolle Sache! Um diese gewaltige Aufgabe zu stemmen, will sich die SPD dann auch nicht etwa auf irgendwelche Hartz IV Empfänger verlassen, sondern hat lieber gleich “den reichsten Mann der USA” eingeladen. Na, der muss es ja wissen. Wird es demnächst etwa heißen: Wir sind Bill Gates? Oder: Du bist Bill Gates! Hoffentlich nur wird die SPD dabei nicht schon wieder so viele soziale Abstürze produzieren wie Microsoft-Windows Computerabstürze. Wäre doch schade.

Einen Wink in eben diese Richtung gab jedoch kein geringerer als Bill Gates selbst. Befragt auf den ehemaligen Bundesfinanzminister und heutigen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, antwortete Gates:

“Ich kenne Peer aus der Zeit, als er Finanzminister war, das war eine enorm produktive Zeit in der internationalen Entwicklung, als es neue Finanzierungsstrategien, neues globales Engagement und Kooperation gab. Dabei möchte ich Peer für seine führende Rolle danken.”

Ein aufrichtiger Mann, dieser Gates. Wenn er der SPD also eines beibringen könnte, dann dies: Aufrichtigkeit. Nur inhaltlich sollte die SPD sich dann doch besser woanders Rat suchen. Denn “eine enorm produktive Zeit” war die von Steinbrück als Finanzminister ausgeübte Deregulierungswut für die Finanzindustrie nun wirklich nur für Leute wie Gates. Und wollen wir etwa gleich die nächste Finanzkrise, wo wir aus der letzten noch nicht einmal raus sind? Ist Gates vielleicht gar ein Maulwurf der CDU? Dank ordentlicher Parteispenden könnte sie sich ihn für den Bundestagswahlkampf wohl leisten.

Und Gerechtigkeit will schließlich auch sie, die CDU. Dazu wiederum hat SPD-Chef Sigmar Gabriel so richtig Glaubwürdiges zu sagen:

“Mit Blick auf die Ankündigung von Unions-Fraktionschef Volker Kauder, ebenfalls Maßnahmen gegen das Auseinanderdriften der Gesellschaft im Wahlkampf zu thematisieren, entgegnete Gabriel: ´Für uns ist Gerechtigkeit kein Wahlkampfthema, sondern eine innere Haltung, um die man kämpfen muss.”

Weil Gabriel nach wie vor zutiefst von der Agenda 2010 überzeugt ist, muss er wohl vor allem mit sich selbst um seine innere Haltung kämpfen, und er könnte mit einem sogar Recht haben: damit, dass für ihn und die SPD “Gerechtigkeit kein Wahlkampfthema” ist.

Aufgrund solch hohler Aussagen und Praktiken führender SPD- und Unionspolitiker wie auch der unreflektierten Berichterstattung des Deutschlandfunks darüber, müssen wir wahrlich auf der Hut sein, uns nicht anstecken zu lassen.

Der am Wochenende zu beobachtende verbale, auf eine entsprechende mediale Berichterstattung zielende Übereifer von SPD und CDU dürfte dann auch vor allem der Tatsache geschuldet sein, dass soziale Gerechtigkeit für viele Menschen das Thema ist. Dass es das ist, ist der Politik der vergangenen vielleicht rund zwanzig Jahre geschuldet. Schon 1998 war der Wunsch nach mehr sozialer Gerechtigkeit groß. Erhalten haben die Wähler jedoch schon damals nicht das, was sie bestellt hatten, sondern die Agenda 2010. Damals Tony Blair und Gerhard Schröder, heute Bill Gates und Peer Steinbrück?

Den Sozialabbau herbei regiert haben rot-grün und schwarz-rot und jetzt schwarz-gelb. Eine glaubwürdige, kritische Auseinandersetzung damit hat bisher in keiner der Parteien stattgefunden. Kein Wunder, dass SPD und CDU in ihrer Regierungszeit nicht mehr für Bildung und sozialen Ausgleich ausgegeben haben. Nicht auszudenken, wie eine gebildete und sozial gut abgesicherte Bevölkerungsmehrheit auf das plakative Geschwätz reagieren würde. Bleibt nur zu hoffen, dass das Niveau des Bundestagswahlkampf aus diesem inhaltlichen Tief noch herausfindet. Etwas Zeit ist ja noch.

Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.

Wenn nur 100 Wirtschaft und Gesellschaft abonnieren…


Dieser Text ist mir etwas wert


Verwandte Artikel: