Vor knapp einem Jahr, vor der Himbeerreich-Premiere, fing der Dialog zwischen Andres Veiel und mir an, wo wir im Gespräch und in Skizzen Bilder entwarfen und verwarfen, noch sehr freie und unkonkrete Ideen für das Raumkonzept entwickelten, die als kreative Umwege zu der jetzigen Raumlösung führten. Andres Veiel hatte eine klare Idee für das Projekt, die Textfassung existierte noch nicht. Er führte Interviews, eine riesige Materialsammlung war im Begriff zu entstehen. Uns war sehr schnell klar: der Raum sollte nicht realistisch und nicht abstrakt sein und sich auf keine Interpretation festlegen.
Einige Stichworte fielen: Geschlossene Gesellschaft, Macht, Licht, Oben/Unten, Altersheim; und der Titel „Himbeerreich“ stand ziemlich schnell fest. Das Wunderbare an dieser Arbeitsweise ist, das Andres das Raumkonzept in seine Arbeit sowohl als Autor als auch als Regisseur miteinbezieht, mitdenkt, kreativ nutzt – nichts wird der Beliebigkeit überlassen, aber auch nicht in Beton gegossen.
So kristallisierte sich der zentrale Gedanke für den Raum heraus – die Verbindung von Oben und Unten, Licht und Schatten – die, die einst oben in den „Gewächshäusern“ saßen, wurden in das Schattenreich der Türme verbannt. Es ist ein Stockwerk, das nach außen nicht existiert, nicht sichtbar für Außenstehende, ein Ort der Bankgeheimnisse.
Die Fahrstühle als Metapher, für die Verbindung zwischen Oben und unten, Draht zur Machtzentrale, als Hoffnung wieder in die Etagen der Macht zu gelangen: Und als Erschließung eines geschlossenen durch die Spiegel verschachtelten, kalten, metallischen Raums; das Licht reflektiert und glänzt wie die Fassaden der großen Kreditinstitute. Wo man in die Gedankenwelt der Finanzwelt eintauchen kann, sich auf die komplexen Texte einlässt, und das Auge an den glänzenden Oberflächen ruhen kann. Ein eisiger, menschenfeindlicher, leerer Raum, wo die Figuren ausgestellt und einander ausgeliefert sind und die gläsernen Fahrstühle als einzigen Rückzugsort haben.
Die Bürosessel als Relikte der Vergangenheit stehen im Raum der Erwartungen, mit menschlichen Spuren der Figuren im Kontrast zu den glatten reflektierenden Oberflächen. Die Reflexionen erlauben mit Licht malerisch umzugehen und lösen die geschlossenen monumentalen Oberflächen auf, spiegeln die Lichtbänder und die Raumkabinen wieder, die irgendwann nach oben entschweben und die Protagonisten zurücklassen.
Julia Kaschlinski wurde in Riga (Lettland) geboren und studierte Architektur an der UdK Berlin. Nach einer zweijährigen Bühnenbildassistenz am Thalia Theater Hamburg, arbeitet sie als freie Bühnen- und Kostümbildnerin, u.a. am Maxim Gorki Theater, Theater Freiburg, Thalia Theater Hamburg, Schauspielhaus Bochum und Off-Broadway-Theatern in New York.
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