Wirtschaftsprognose der EU-Kommission: Mit Zweckoptimismus und auf Kosten der übrigen Welt aus der Krise
Cover EUKommission

Gestern hat die EU-Kommission ihre Wirtschaftsprognose für 2013 bis 2014 herausgegeben. ““, ist der Titel des Reports von der EU-Kommission ins Deutsche übersetzt worden. Das vollständige Original ist nur in erschienen. “Allmählich” bzw. “gradually” ist ein dehnbarer Begriff. Und ein schmerzhafter noch dazu. Besonders für diejenigen Millionen Menschen, die unter den “Widrigkeiten” zu leiden haben. Wie die EU-Kommission sich über die Krise hinwegretten will, gibt sie bereits auf der ersten Seite preis. Das Rezept ist so einfach wie falsch: Die Kommission folgt dem deutschen Modell.

Hier der vielleicht entscheidende Satz: “In 2013 wird vor allem die Nachfrage außerhalb Europas die voraussichtliche Stabilisierung und allmähliche Beschleunigung der wirtschaftlichen Aktivität in der Europäischen Union bestimmen” (“In 2013, external demand is thus set to be the main driver of the projected stabilisation and gradual acceleration of economic activity in the EU.”).

Die Inlandsnachfrage – Investitionen und Konsum – würde dagegen erst später im Verlauf des Jahres anziehen und erst 2014 zum hauptsächlichen Wachstumsmotor werden (“Domestic investment and consumption are projected to recover only later in the year, but by 2014 domestic demand is expected to take over as the main driver of further strengthening GDP growth.”).

Selbst das aber erscheint – wie schon die Prognosen in den Vorjahren – viel zu optimistisch und an den Haaren herbeigezogen. Denn warum sollten die Unternehmen bei einer sich – auch laut Prognose der EU-Kommission – weiter verlangsamenden Wirtschaftsaktivität in 2013 mehr investieren und die Konsumenten trotz weiter steigender Arbeitslosigkeit mehr konsumieren? Die Wachstumsprognose der EU-Kommission für die Eurozone erscheint dabei ein weiteres Mal zu optimistisch (-0,3%).

Selbst aber, wenn man diese als gegeben nimmt, ist zu attestieren: Die EU-Kommission nimmt ein weiteres Jahr eine negatives Wirtschaftswachstum in Kauf. Und nicht nur das: Sie bricht auch für dieses und nächstes Jahr mit dem vertraglich für die Eurozone vereinbarten Inflationsziel von nahe unter zwei Prozent. 2013 sollen die Preise um 1,8 Prozent, 2014 gar nur um 1,5 Prozent steigen. Das passt natürlich zu ihrer eingangs formulierten Krisenstrategie, auf die Nachfrage aus dem außereuropäischen Ausland zu setzen. Sollen die doch sehen, wie sie Wachstum generieren. Wir werden uns dann schon da dranhängen. Es stört die Kommission dabei auch nicht, dass laut ihrer eigenen Prognose diese Strategie insofern nicht aufgeht, als dass die Arbeitslosigkeit weiter steigt.

Dabei hat der Euroraum bereits im vergangenen Jahr einen erzielt (Ausfuhren aus dem Euroraum in die übrige Welt: +7%; Einfuhren aus der übrigen Welt in den Euroraum: +2%). So aber haben sich die Amerikaner eine Freihandelszone mit Europa bestimmt nicht vorgestellt. Das alles weckt den Anschein, als würden die Deutschen noch stärker als in der Vergangenheit den Ton in der EU-Kommission angeben, wenn das denn überhaupt möglich ist.

Interessant in diesem Zusammenhang auch diese Feststellung der EU-Kommission: “”

Auch das zeigt, wie weit die Kommission nicht nur von der Not der Menschen in der Eurozone entfernt ist, sondern auch von von einer nachvollziehbaren ökonomischen Analyse. Wie kann man sich von einer Verbesserung der Lage am Finanzmarkt ein stärkeres Wirtschaftswachstum versprechen, wenn die Inlandsnachfrage im Euroraum 2012 um 2,1 Prozent geschrumpft ist und 2013 um weitere rund 1 Prozent schrumpfen soll, wie die EU-Kommission selbst prognostiziert? Selbst unter Einbeziehung der Exporte, auf die die Kommission ja setzt, soll die Endnachfrage 2013 lediglich um 0,2 Prozent steigen; für 2014 sagt die EU-Kommission ein Wachstum der Endnachfrage von 2,4 Prozent voraus. Jeder aber, der es wissen will, weiß, dass schon die Prognosen für das laufende Jahr nicht das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt worden sind. “Mit Zweckoptimismus und auf Kosten der übrigen Welt aus der Krise”, hätte die Kommission ihren Report überschreiben sollen.

Wer kein Ziel vor Augen hat, wird auch schwerlich eines erreichen. Die EU-Kommission setzt wie Deutschland auf Wettbewerbsfähigkeit und die Nachfrage aus der übrigen Welt – und geht dabei wie selbstverständlich davon aus, dass die übrige Welt eine für sie damit verbundene weitere Verschuldung hinnimmt. Gleichzeitig hat sie sich für ein weiteres Jahr mit einer Rezession und steigender Arbeitslosigkeit abgefunden. Das ist angesichts der dramatischen sozialen Not in vielen Ländern unfassbar und verantwortungslos. Würde sich Europa bzw. der Euroraum stattdessen ein Beschäftigungsziel setzen, kämen die Verantwortlichen dagegen nicht darum herum, auch ein entsprechendes Wirtschaftswachstum als Ziel zu setzen und Maßnahmen zu ergreifen, die dieses Wirtschaftswachstum versprechen zu realisieren.

Die ganze Diskussion um eine Verlagerung von Verantwortung nach Brüssel erweist sich vor diesem Hintergrund einmal mehr als am eigentlichen Problem vorbei diskutiert. Das eigentliche Problem ist auf nationaler Ebene wie auf Ebene der EU das Fehlen einer angemessenen Wirtschaftsanalyse, -strategie und -politik.

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