Blendwerk II: Gustav Horns Umgang mit Kritik lädt ein zu Kritik

Zunächst das Positive: Auch Gustav Horn, er leitet seit 2005 das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung, liest Wirtschaft und Gesellschaft. Ich habe ihn für dieses Medium ausführlich interviewt und ab und an eingeladen, zu bestimmten Berichten zu kommentieren. In der Wochenzeitung habe ich ihn auch schon einmal inhaltlich kritisiert. Nun hat er sich zu Wort gemeldet. Der Anlass: Ein kritischer Beitrag von mir über die Berichterstattung und ein Diskussionspapier des Denkwerks Demokratie – in dessen Beirat Horn sitzt.

Ich schreibe bewusst “zu Wort gemeldet”, denn Kritik verbinde ich mit Inhalten. Immer wieder lade ich offen dazu ein, sich zu Beiträgen, die auf Wirtschaft und Gesellschaft erscheinen, kritisch zu äußern. In der eigens dafür eingerichteten Rubrik “Leserbriefe” sind mit der Zeit eine Reihe von sehr kritischen Leserbriefen veröffentlicht worden (vgl. darüber hinaus autorenkritische Debattenbeiträge wie den des ver.di-Vorstands Achim Meerkamp oder die Diskussion Frank Bsirske und Ursula Engelen-Kefer). Kritische wie Zustimmung signalisierende Leserbriefe zeichnen sich durch eine Gemeinsamkeit aus: Sie geben immer Inhalte wieder. Die im folgenden aufgegriffene Meldung Horns erfüllt dieses Kriterium leider nicht. Sie ist mir von kritischen Lesern zugesendet worden, die mich über seinen facebook-Eintrag informierten, den ich hier in voller Länge bzw. Kürze zitiere:

“Der Autor dieses Beitrags, Florian Mahler von Wirtschaft und Gesellschaft kann unmöglich bei der von ihm beschriebenen Veranstaltung gewesen sein. Ich selbst habe auf dem Podium einige der von ihm genannten Probleme ganz im Sinne der Denkschrift des Denkwerks angesprochen. Schade, wenn der Hass auf SPD und Grüne den Blick auf die Realität verstellt. /2013/02/16/denkwerk-demokratie-spd-und-grune-wollen-uns-erneut-auf-zukunft-vertrosten-und-spielen-im-politischen-sandkasten-mit-neuen-begriffen/

Der erste Kommentar, den ein Leser Horns unter diese Meldung gesetzt hat, macht bereits auf den ersten Fehler Horns aufmerksam, den nämlich, dass Horns Kritik den Leser in die völlig falsche Richtung weist:

“Er behauptet doch auch gar nicht, auf der Veranstaltung gewesen zu sein, oder habe ich da was übersehen? Er bezieht sich auf einen Bericht des DLF und auf ein Konferenzpapier.”

Darüber hinaus aber widerspricht sich Horn selbst, wenn er im Anschluss an seine erste Aussage schreibt, “ich selbst habe auf dem Podium einige der von ihm genannten Probleme ganz im Sinne der Denkschrift des Denkwerks angesprochen.” Was immer Horn auch für eine “Denkschrift des Denkwerks” meint, so stimmt er also meinem Beitrag zumindest “in einigen der von mir genannten Probleme zu”. “Hasst” Horn jetzt also auch SPD und Grüne und hat dieser “Hass” ihm etwa auch “den Blick auf die Realität verstellt”, wie er mir unterstellt?

Einer seiner Leser kommentiert dazu u.a.:

“Man braucht keinen ´Hass´, um Steinbrück oder Gabriel nicht für 5 min zu trauen, sondern es reicht völlig aus, sie beim Wort zu nehmen, dem sich gegenseitig ausschließenden Wort, wo etwa Steinbrück im Bundestag beinahe Flassbeck pur referiert und fast zeitgleich ausgewählten Industriellen verspricht, dass es keinen Kurswechsel geben werde – oder hat das Handelsblatt das frei erfunden?”

Es ist jedoch nicht nur das. Entscheidender noch ist, dass Horn, statt eine inhaltliche Auseinandersetzung zu führen, verunglimpft; mit seinem unsachlichen und von allen Inhalten befreiten Vorwurf an mich, ich würde SPD und Grüne “hassen”, suggeriert Horn seinen Lesern: Hier ist einer, auf den dürft Ihr nicht hören, der “hasst” Euch. Das aber verrät mehr über die Diskussionskultur, Wahrnehmungsfähigkeit bzw. -unfähigkeit und Kritikfähigkeit Horns und bestimmter Kreise in Politik, Gewerkschaften und Wirtschaftswissenschaften als über meinen Beitrag und lenkt nur von der inhaltlichen Auseinandersetzung ab, die Horn gleichzeitig komplett ausblendet. Allein, weil Horn in eine durchaus ähnliche, zum Teil identische Leserschaft und Zielgruppe hineinwirkt wie ich und das Medium Wirtschaft und Gesellschaft, und Horn gewiss einen breiten Leserkreis erreicht, bei dem er – sicherlich nicht zu Unrecht – Autorität genießt, kann ich seine Sätze nicht einfach so stehen lassen.

Wer inhaltliche Kritik, selbst wenn sie gepfeffert und mit Polemik gewürzt ist (was ich vor dem Hintergrund dessen, was uns die Politik seit langem zumutet, auch die Politik von SPD und Grünen, für gerechtfertigt halte), in “Hass” umdeutet, grenzt aus und stellt sich damit selbst ein Zeugnis aus, nicht aber dem, den er so angreift.

Zum Glück hat Horn aufgeweckte Leser. Doch selbst Horns Reaktion auf deren kritische Kommentare kommt reichlich selbstgerecht daher:

“Nun ja ich habe das anders gelesen. Aber selbst, wenn (einer von Horns Lesern, T.H.) recht hat, finde ich die Auseinandersetzung von Hild weitaus zu oberflächlich. Er hätte sich besser informieren sollen und können.”

Was aber genau findet Horn zu “oberflächlich” an meinem Beitrag und inwiefern hätte ich mich “besser informieren sollen”? Horn jedenfalls – ich habe mich auf seinen zitierten Vorwurf hin einmal auf seiner facebook-Seite “informiert” – hat am 14. Februar die von mir in meinem Beitrag aufgegriffene Meldung der Süddeutschen Zeitung zu der Konferenz völlig unkritisch auf seiner facebook-Seite verbreitet:

“Heute fand die erste öffentliche Tagung des Denkwerk Demokratie statt. Die Vorberichterstattung siehe hier:
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nachhaltigkeit-statt-wachstum-spd-und-gruene-entwerfen-grundlegend-neue-wirtschaftspolitik-1.1598701

Und auch das Denkwerk Demokratie selbst lässt nicht durchblicken, dass Horn sich kritisch geäußert hätte; was für mich nicht heißt, dass er sich nicht kritisch geäußert hätte, wohl aber, dass er damit nicht nach außen durchgedrungen ist und so alle nicht der Konferenz beiwohnenden Leser der Süddeutschen und Hörer des Deutschlandfunks und anderer Medien, die darüber berichteten, in der Tat uninformiert blieben. Auf der facebook-Seite des Denkwerks Demokratie ist in einer Meldung vom 14. Februar lediglich zu lesen:

“Auch von uns nochmal Dank an Gustav Horn für seine Beteiligung an unserer Konferenz!”

Schließlich geht auch der – nach Erscheinen meines Beitrags – herausgegebene “Rückblick: Wirtschaftspolitische Konferenz” des Denkwerks Demokratie nicht über die von mir kritisierten Punkte hinaus.

Nachdem mich gestern ein Leser auf meiner facebook-Seite auf die oben zitierte Meldung von Horn aufmerksam gemacht hatte, habe ich kommentiert:

“Herr Horn scheint meinen Beitrag nicht gründlich gelesen zu haben. Denn ich schreibe ja gar nicht, dass ich auf der Veranstaltung gewesen bin, sondern setze mich mit dem zu dieser Veranstaltung veröffentlichten Diskussionspapier kritisch auseinander. Schade, dass Herr Horn sich nicht mit den Inhalten meines Beitrags auseinandersetzt, sondern mir stattdessen, völlig unsachlich, “Hass” auf die SPD und die Grünen unterstellt. Ganz im Gegenteil. Nur sind die Ansprüche an beide Parteien wohl unterschiedlicher Natur. Da fühlt sich wohl einer der Beteiligten auf den Schlips getreten. Es gab, nebenbei bemerkt, sonst nur Rückmeldungen auf meinen Beitrag, die meine Kritik teilen, auch von Parteimitgliedern der SPD und der Grünen.”

Das soll an dieser Stelle als Schlusswort dienen. Nicht jedoch, ohne Gustav Horn herzlich einzuladen – gern auch direkt auf dieser Seite -, immer kritisch inhaltlich Stellung zu nehmen.

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