Gut, dass der SPD-Kanzlerkandidat als Bundesfinanzminister die Unternehmenssteuern kräftig gesenkt hat. So können es sich jetzt einige Unternehmer leisten für eine, laut Spiegel online, sechsstellige Summe einen Blog (!) für Peer Steinbrück zu finanzieren.
Und schon das “Über uns” des Blogs ist ein Kracher, die Sprache sektenverdächtig. Kostprobe:
“Wir sind unabhängig. Peer Steinbrück will das so. Dieser Blog wird finanziert von herausragenden Unternehmerpersönlichkeiten in Deutschland, die Peer Steinbrück, seine politische Kompetenz und seine Persönlichkeit schätzen. Und die sich wünschen, dass dieser Mann Deutschland eine Idee für eine gesicherte wirtschaftliche Zukunft im gesellschaftlichen Ausgleich verpasst. Dass Peer Steinbrück Deutschland regiert. Sie wünschen sich einen Kanzler, der Deutschland in Europa und in der Welt stabilisiert. Sie setzen nur auf die Person Steinbrück.”
Diese wenigen Sätze allein sind gleich in vielerlei Hinsicht bemerkenswert.
1. Sind die Macher der Seite jetzt also nur “unabhängig”, weil Peer Steinbrück es so will? Dann wären sie schon einmal nicht unabhängig!
2. Was sind das wohl für “herausragende Unternehmerpersönlichkeiten in Deutschland”, die Steinbrücks “Kompetenz” “schätzen”, und welche “Kompetenz” “schätzen” sie wohl? Seine “Kompetenz”, Unternehmenssteuern zu senken und Finanzmärkte zu deregulieren? Überrascht wäre ich nur gewesen, wenn gewöhnliche Hartz IV Beziehende, Niedriglöhner oder in Armut lebende Rentner, Menschen wie Du und ich Steinbrücks Kompetenz schätzen würden.
3. Und was ist das: “eine gesicherte wirtschaftliche Zukunft im gesellschaftlichen Ausgleich”? Eines ist es gewiss: eine sprachliche Nebelkerze, hinter der sich sehr schlimme Dinge verbergen können! Spätestens seit der Regentschaft Gerhard Schröders wissen wir schließlich, wie mit schönen, modern klingenden Worthülsen zwar “wirtschaftsfreundliche”, aber gesellschaftsfeindliche Politik gemacht werden kann.
4. Interessant auch, dass diese “herausragenden Unternehmerpersönlichkeiten” “nur auf die Person Steinbrück” setzen. Guten Morgen, SPD!
Und hier gleich noch eine wirkliche Schote aus selbigem Text:
“Wir haben Peer Steinbrück gefragt, ob wir für ihn bloggen dürfen. Wir haben ihm unser Konzept präsentiert. Wir haben gezeigt, wie in den USA politische Kommunikation tagesaktuell betrieben wird. Wir haben an die arabischen Revolutionen in Tunesien, Libyen und Ägypten erinnert, die ohne Blogs und Internet und die daraus resultierende weltweite Unterstützung niemals gelungen wäre.”
“Wir”. “Wir”. “Wir”. “Wir”. Außerdem: Wie ist bloß die französische Revolution Realität geworden, “ohne Blogs und Internet”, oder die russische Revolution? Und wie kommen die Autoren überhaupt darauf, dass die arabischen Revolutionen in Tunesien, Libyen und Ägypten ohne Blogs und Internet niemals gelungen wären? Was schließlich heißt in diesem Zusammenhang überhaupt “gelungen”?
Nicht nur die Sprache des Blogs ist einigermaßen irre, auch sein Inhalt bzw. seine Inhaltsleere. Die Autoren sind sich darüber hinaus nicht zu blöd, den Wahlkampf Obamas ein weiteres Mal zu bemühen, diesmal für Peer Steinbrück. Dabei hieß es schon im Bundestagswahlkampf 2009 unter der Überschrift “Obama-Helfer kämpft für Steinmeier“: “Allerdings war das Internet nicht der Grund für Obamas Wahlsieg. Es war nur das richtige Instrument, um seine Botschaft vom Wandel zu transportieren.” So die Worte des Obama-Helfers selbst im Interview mit Focus. Ebenfalls in 2009 – allerdings nach der Bundestagswahl – trennte sich der Focus von seinem Bürochef Karl-Heinz Steinkühler. Und der macht jetzt was? Richtig: Steinkühler macht peerblog.de. Obama sah Merkel übrigens schon im Juli 2009 als Siegerin der damaligen Bundestagswahl. Vielleicht sollten sich die USA affinen Schreiber des peerblog schon einmal um Obamas Einschätzung für die Bundestagswahl in diesem Jahr bemühen.
Und dann heißt es noch in “Über uns” auf peerblog.de: “Hier werden politisch und gesellschaftlich relevante Themen aufgeschrieben und diskutiert.” Mit was aber macht der Blog auf? Erste “Titelstory” des 2. Februar 2013: “Peer fordert zweites Duell – Merkel kneift“. Dazu haben wir bereits am 31. Januar alles notwendige geschrieben. Eine “Titelstory” ist dieses Thema nun wirklich nicht, schon gar nicht, wenn man vorgibt, dass “politisch und gesellschaftlich relevante Themen aufgeschrieben und diskutiert” werden. Was gibt´s noch zu lesen? Brüderle! Wie originell. Wirklich.
Und auch solche Töne sind auf peerblog.de zu vernehmen:
“Solidarität ist aber keine Einbahnstraße: wer zu nehmen gezwungen ist, muss auch fair sein zu jenen, die geben. Wenn den Starken mehr aufgebürdet wird, als sie tragen mögen und sie schließlich aus dem letzten Loch pfeifen, dann geht der soziale Frieden flöten. Das hört mancher Sozialdemokrat nicht gerne, aber Peer Steinbrück hat ein Ohr auch dafür.”
Na, das ist doch nun wirklich eine feine Zusammenkunft. “Herausragend”. Vielleicht so herausragend wie die “herausragenden Unternehmerpersönlichkeiten”, die diesen Blog finanzieren, aber anonym bleiben.
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