Der neue Papst “erdet” die Kirche – der Chefvolkswirt der OECD hingegen hebt ab

Es scheint wirklich so: Der neue Papst konfrontiert die Kirchenoberhäupter wieder mit dem richtigen Leben, fordert sie auf, sich wieder den Menschen zuzuwenden und nicht länger Hof zu führen. Ganz anders in der Glaubenslehre der Ökonomie. Gestern habe ich an dieser Stelle die OECD gelobt, in Abgrenzung zu den deutschen “Top-Ökonomen”, dass sie zumindest die Probleme in der Eurozone sieht und aufzeigt. Der Bericht, auf den ich mich dabei bezog, stammt vom Chefvolkswirt der OECD, Pier Carlo Padoan. Und was er – entgegen den Ergebnissen, den seiner eigener Bericht ausweist – aussagt, kann nun wirklich nicht abgewendeter von dieser Welt sein.

“Strukturelle Reformen (das sind vor allem Ausgabenkürzungen und Abbau von Arbeitnehmerrechten mit dem Ziel, darüber die “Wettbewerbsfähigkeit” zu trimmen, T.H.), namentlich in Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien, bilden eine solide Basis für eine Erholung der Wettbewerbsfähigkeit und einen Anstieg der Beschäftigung, wenn die Nachfrage sich dreht.” (Structural reforms, notably in Greece, Ireland, Italy, Portugal and Spain, provide a solid base for a recovery in competitiveness and an increase in employment when demand turns around.) Wie aber soll sich die Nachfrage “drehen”, also wieder steigen, wenn sie durch Ausgabenkürzungen ständig verringert wird? Irgendwann, wenn der “Bodensatz” erreicht ist? Was aber passiert mit den Menschen in der Zwischenzeit?

Beschäftigung und Arbeitslosigkeit seit Ausbruch der Finanz- und Eurokrise (Zur Vergrößerung auf Graphik klicken.)

Die Folgen dieser ökonomischen Glaubenslehre und Glaubenspraxis bezeichnet Padoan als “kurzfristige Kosten dieser Anpassungen” (short-term costs of these adjustments). Was aber ist kurzfristig? Wir sind im sechsten Jahr nach Ausbruch der Finanz- und Eurokrise. Und die Arbeitslosigkeit in den von “strukturellen Reformen” heimgesuchten Ländern steigt und steigt. Derselbe Bericht der OECD hält fest, dass die sich “die Beschäftigungssituation in der Eurozone weiter verschlechtert hat…Besonders in Europa führt der Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit, mit mehr Arbeitslosen, die aus der Arbeitslosenversicherung herausfallen oder weniger Sozialleistungen erhalten, zu schlimmerer Armut und Ungleichheit.” (The employment situation has continued to deteriorate in the euro area, contributing to depressed consumer confidence. Especially in Europe, the rise of long-term  unemployment, with more of the unemployed moving off unemployment insurance on to less generous social benefits, is worsening poverty and inequality.)

Pier Carlo Padoan ist ein weiteres Beispiel für eine rücksichtslose, menschenverachtende und die Lebenswirklichkeit der Menschen ignorierende Elite in Europa.

Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.


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