Alles konzentriert sich auf die Finanzmärkte. Das war vor der Eurokrise so (Deregulierung), das ist nach Ausbruch der Eurokrise so (Regulierung). Erst gestern veranstaltete das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) sein jährliches Konjunkturforum unter der Überschrift “Finanzmärkte Revisited”. Dazu hieß es einleitend: “Wir wollen wieder einmal einen kritischen Blick auf die Finanzmärkte werfen. Schließlich beschäftigen sie die Wirtschaftspolitik auch im Rahmen der Krise des Euroraums in extremer Weise.” Wie wahr. Ich plädiere seit längerem dafür, den Blick auf einen ganz anderen Markt zu lenken und ihn in den Mittelpunkt der Eurokrise zu rücken: den Arbeitsmarkt. In mehreren Beiträgen wurde auf Wirtschaft und Gesellschaft unter anderem problematisiert, dass die Verantwortlichen in Deutschland und Europa (ich hebe hier Deutschland als Teil Europas explizit hervor, weil die Bundesregierung, aber auch die Opposition, vor allem die SPD, eine besonders negative bis diffuse Rolle spielen) den Zusammenhang von Wachstum und Beschäftigung ignorieren. Diese Ignoranz bzw. das zugrundeliegende fehlende Problembewusstsein reicht nicht nur weit in die politische und ökonomische “Rechte” hinein, sondern u.a. auch in den DGB und seine politischen wie beratenden Protagonisten.
Um die ökonomische und politische Dimension der Massenarbeitslosigkeit deutlich zu machen, wie sie Europa seit Ausbruch der Eurokrise heimsucht, habe ich mich seit einigen Tagen um historische Vergleichsdaten bemüht. Heimsuchen ist natürlich ein verkehrter Ausdruck. Denn die Massenarbeitslosigkeit wie die Eurokrise selbst sind Folge politischer Entscheidungen und nicht vom Himmel gefallen.
Selbst kein Wirtschaftshistoriker, aber seit langem an Sozial- und Wirtschaftsgeschichte interessiert, lag es aus verschiedenen Gründen nahe, den Vergleich zur großen Depression der 1930er Jahre zu suchen. Und tatsächlich stieß ich nach einiger Suche auf eine ganz hervorragende Quelle, doch nicht nur das: auch sehr hilfsbereite, auskunftsfreudige Mitarbeiter und einen ebenso hilfsbereiten wie erfahrenen Historiker.
Als erstes ging es mir darum, die Dimension der Arbeitslosigkeit heute mit der in den 1930er Jahren zu vergleichen. Hier das Ergebnis. Die Idee ist, diesen in der Graphik unten abgebildeten Vergleich zunächst einmal einfach, ohne weitere Kommentierung auf den Leser wirken zu lassen. Vielleicht war es ja kein Zufall, dass allein die Vergewisserung über Daten und Graphik wie auch die Vorgehensweise mich bis heute warten ließ, diese hier zu veröffentlichen. Heute wurde – zum Beispiel in den Informationen am Morgen des Deutschlandfunks – des morgen vor 80 Jahren erlassenen Ermächtigungsgesetzes gedacht. Heinz Verführt schreibt anlässlich dieses Jahrestages und jenes historischen Ereignisses in Das Parlament von “indifferenten Eliten, verunsicherten Mittelschichten, sozialen Antagonismen, immenser Arbeitslosigkeit”. Warum attestiert das eigentlich kein Leitmedium der Situation heute? Haben wir, da wo es wirklich darauf ankommt, etwa gar nichts aus der Geschichte gelernt?
Wir haben in der Vergangenheit in verschiedenen Beiträgen nicht nur die Massenarbeitslosigkeit problematisiert, sondern auch die ihr zugrundeliegenden Ursachen, die Entwicklung von Löhnen, Preisen, Wachstum und Beschäftigung und die besonderen Voraussetzungen, die für das Funktionieren einer Währungsunion gelten. Ich werde daher in den nächsten Tagen und Wochen auch die Entwicklung dieser Größen vergleichend anschauen und hier versuchen aufzuzeigen bzw. abzubilden. Die Absicht ist dabei nicht, einen zwanghaften Vergleich oder eine Identität mit der Geschichte herzustellen, wohl aber die Dimension der Probleme aufzuzeigen, mit der sich die Verantwortlichen in Deutschland und Europa eigentlich auseinandersetzen und derer sie sich annehmen müssten. Die Finanzmärkte, auf die sich alle konzentrieren, können, so die These bzw. Vermutung, sobald das Problem von Wachstum und Beschäftigung in den Mittelpunkt der politischen Diskussion gerückt werden würde – wofür es bisher keine überzeugenden Anzeichen gibt – viel einfacher einer Kontrolle zugeführt werden, indem sie eben wieder dem Arbeitsmarkt, Wachstum und Beschäftigung untergeordnet werden. Eurokrise im Spiegel der Wirtschaftsgeschichte: Worauf sich die Verantwortlichen in Deutschland und Europa konzentrieren sollten (vollständiger Beitrag nur im Abonnement)
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