Mal eine Frage zwischendurch: Warum werden Heiner Flassbeck und meine Wenigkeit eigentlich nicht zu Talkshows und Zeitungskommentaren eingeladen, noch in Presseschauen zitiert?

Wer einmal damit begonnen hat, die Eurokrise nicht nur in ihrem aktuellen Verlauf zu analysieren, sondern sie auch in einen historischen Kontext zu stellen, den kann spätestens nach der aktuellen Politik zu Zypern nur noch grauen (vergleiche dazu: Die Demokratie in Europa steht längst auf dem Spiel – was die SPD damit zu schaffen hat und Eurokrise im Spiegel der Wirtschaftsgeschichte: Worauf sich die Verantwortlichen in Deutschland und Europa konzentrieren sollten). Vielleicht ist Schäubles strenge – ich würde soweit gehen zu sagen – deutsche Miene das aussagekräftigste Menetekel für den Zustand Europas und die diesen maßgeblich bestimmende deutsche Politik.

Dass diese nicht allein auf Schäuble und Merkel zurückfällt, sondern genauso der Opposition und den Medien aber auch den Wirtschaftswissenschaften – und zwar nicht nur den konservativen – angelastet werden kann, steht außer Zweifel, ist aber kein Trost. Im Gegenteil. Mit einer Opposition, die in der Lage wäre, eine überzeugende Alternative zur Regierungspolitik aufzuzeigen, wäre es nie soweit gekommen. Die Atmosphäre aber, die sich längst überall festgesetzt hat, erinnert wahrlich an die, die die Bücher wie das von Hans Mommsen oder die von Sebastian Haffner so gekonnt eingefangen haben. Europa, so mein Gefühl, steht spätestens seit der Krise um Zypern vor dem Abgrund, der nur noch historisch zu nennen ist.

Wie kleinkariert dagegen selbst der sonst hochwertige kritische Journalismus in Deutschland. Ich muss dies einfach zum Ausdruck bringen. Da hat ein hervorragender Journalist wie Harald Schumann keine drängendere Frage als die, wer das Geld der diversen “Bankenrettungen” erhalten hat. Ich habe der Premiere des Films beigewohnt und bin mit einem flauen Gefühl nach Hause gegangen. Schumann in seinem Film “Staatsgeheimnis Bankenrettung”:

“Aber ist es nicht empörend, dass irisches Geld für ausländische Anleger ausgegeben wird, und niemand weiß, wer das ist?”

Weiter heißt es es dort:

“Story: Unerhört ist noch milde ausgedrückt.

Schumann: Macht das nicht die Demokratie zur Farce?

Story: Absolut! Aber das geht an den Kern der Eurokrise. Die Menschen in der Eurozone begreifen nicht, was gerade passiert. Den meisten Deutschen und Franzosen ist nicht klar, dass sie es sind, die hier freigekauft, gerettet werden.”

Ist das aber der “Kern der Eurokrise”? Nein. Der Kern der Eurokrise auch und gerade in Irland ist die Massenarbeitslosigkeit.

Arbeitslose und Arbeitslosenquote in Irland (Zur Vergrößerung auf Graphik klicken.)

Das gilt noch einmal mehr für Länder wie Griechenland und Spanien (vgl. hierzu: Die Demokratie in Europa steht längst auf dem Spiel – was die SPD damit zu schaffen hat und Eurokrise im Spiegel der Wirtschaftsgeschichte: Worauf sich die Verantwortlichen in Deutschland und Europa konzentrieren sollten). Die Arbeitslosigkeit lässt die Menschen verzweifeln und bedroht die Demokratie. Der Umgang mit dem Problem der Massenarbeitslosigkeit – mit der im Grunde genommen bis heute nicht umgegangen wird – macht die Demokratie zur Farce. Die “Bankenrettung” wird dagegen nur eine Fußnote in der Geschichte sein, so vermute ich. Auch in der Weimarer Republik gab es eine schlimme Bankenkrise und eine schlimme Kapitalflucht. Sie spielt in der Nachbetrachtung auch noch eine Rolle, aber nicht die zentrale. Die zentrale Rolle spielen Ausgabenkürzungen bei Löhnen und beim Staat und reparationspolitisches Denken. Wenn man Mommsen durch die Folie der Eurokrise liest, kommt man nicht umhin, deutliche Parallelen in der Krisenpolitik zu sehen – ungeachtet der unterschiedlichen Historie.

Jene ausschlaggebenden Momente und Zusammenhänge werden aber von der Politik und den Medien überhaupt nicht angerührt. Die Diskussion wird – wie damals – durch haushaltspolitische Zielsetzungen beherrscht. Vollständig.

Heiner Flassbeck hat heute zu Zypern geschrieben. Ich empfehle jedem die Lektüre. Sie ist nicht nur analytischer Balsam gegen das, was wir politisch und medial gegenwärtig erleben; sie atmet eine Dramatik, die so realistisch erscheint, dass sie einen, wie der historische Rückblick, nur schauern lassen kann.

Warum frage ich mich, werden Heiner Flassbeck und ich nicht zu Talkshows und zu Gastkommentaren in Zeitungen wie der FAZ und der Süddeutschen Zeitung eingeladen? Die naheliegende und wahrscheinlich auch richtige Antwort lautet: Sie haben Angst vor der Meinungsvielfalt und der Konsequenz, mit der wir unsere Meinung vertreten.

Ich habe Heiner Flassbeck zu diesem Beitrag zwei Fragen gestellt: Wann sind Sie das letzte Mal zu einem der bekannten Fernsehtalks eingeladen worden? Und: Wann hat Sie zuletzt ein Regierungsmitglied konsultiert?

Hier seine Antwort:

“Von dieser Regierung hat noch niemand mit mir gesprochen. Zu Talkshows war ich einige Male vorgesehen, mir wurde aber in letzter Sekunde wieder abgesagt, woraufhin ich bei zweien (Maischberger und Illner) gesagt habe, sie sollen mich nicht mehr berücksichtigen.”

Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.


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