Dieser Satz, er datiert von Ende März, wirft grundsätzliche Fragen auf: In welchem Sektor eine Volkswirtschaft ihre Stärken und Schwächen entwickelt, ist „weniger eine Frage der Wirtschaftspolitik als die unternehmerischer Entscheidungen unter Unsicherheit“. Er stammt nicht etwa von einem konservativen Ökonomen – konservativ im Sinne von: auf das “freie Spiel der Märkte” vertrauend. Vielmehr zitiert das Handelsblatt unter der Überschrift “Neues Wirtschaftsmodell gesucht – Ökonomen fordern EU-Aufbauhilfe für Zypern” Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Findet jene Aussage schon im Rückblick auf die Wirtschaftsgeschichte, ausgehend von der des Merkantilismus über das Mutterland des Kapitalismus, England, bis hin zu den jüngeren, sich erfolgreich nachholend industrialisierenden Staaten, keine Bestätigung (1), so scheint sie mir auch auf die entwickelten Industriestaaten verfehlt, auch und gerade in einer Krise wie sie die Eurozone und Zypern im Besonderen derzeit durchleben.
Auch diese, der oben zitierten Aussage vorangestellte These Horns ist in diesem Zusammenhang interessant, und ihr ist in meinen Augen ebenfalls zu widersprechen: “Jede Strukturpolitik, die auf Steuer- oder Regulierungsvorteilen beruht, sollte von vorneherein vermieden werden”. Mir ist wiederum kein Land bekannt, das sich ohne “Steuer- und Regulierungsvorteile” erfolgreich entwickelt oder aus einer Krise gefunden hätte. “Steuer- und Regulierungsvorteile” beschränken sich ja nicht auf die Politik von Steueroasen und deren negative Auswüchse. Auch hierauf wird weiter unten noch eingegangen.
Die Aussagen Horns werfen aber auch die grundsätzliche Frage auf, was denn “die unternehmerischen Entscheidungen unter Unsicherheit” bestimmt. Da wäre zunächst der naheliegende Gedanke, dass Horns Aussage allein schon deswegen fragwürdig ist, als dass es Aufgabe der Wirtschaftspolitik unter anderem sein muss, den “unternehmerischen Entscheidungen” die “Unsicherheit” zu nehmen. Dass dieses Problem auch in der aktuellen Eurokrise eine Rolle spielt, zeigt nicht zuletzt die Reaktion der zypriotischen Regierung auf die Entscheidung des Verfassungsgerichts, bestimmte Ausgabenkürzungen für nicht verfassungsgemäß zu erklären: Portugal verliere durch das Veto der Richter gegen Teile des Sparpakets im Ausland wieder das Vertrauen, das das Land bei den Anlegern und Investoren mühsam zurückgewonnen habe.
Daran schließt sich natürlich sogleich die Frage an, was den Unternehmern Sicherheit und Vertrauen gibt und sie so zu Investitionen – um die es ja gehen muss – bewegt. Anders, als portugiesiche Regierung, EU-Kommission, EZB, IWF und Bundesregierung meinen, sind die mit großem Ehrgeiz verfolgten Ausgabenkürzungen eben nicht geeignet, das Vertrauen bei Anlegern und Investoren zu stärken. Es geht also nicht darum “unternehmerische Entscheidungen” bzw. die Bedeutung privater Investitionen in Frage zu stellen, sondern um die Rolle der Wirtschaftspolitik und das Wirken und Zusammenwirken beider. Hierzu hat ein Ökonom Kluges und sehr Grundsätzliches geschrieben, der weitgehend in Vergessenheit geraten ist…Keine Frage nach Henne und Ei: Was führt aus der Krise? Der private Unternehmer oder der Staat? (vollständiger Beitrag nur im Abonnement)
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