Steinbrück/Eurokrise/Jugendarbeitslosigkeit: SPD-Kanzlerkandidat will Eurokrise mit Aufstockern bekämpfen

Laut Deutschlandfunk soll der Kanzlerkandidat der SPD tatsächlich “Lohnzuschüsse gegen Jugendarbeitslosigkeit in Europa” gefordert haben. Die besonders hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa ist, wie die insgesamt stark angestiegene Arbeitslosigkeit, eine direkte Folge der Eurokrise und der zu ihrer Lösung erzwungenen Lohn- und Ausgabenkürzungen in den Krisenländern, die einen massiven Nachfrageeinbruch zur Folge haben. Als begeisterter Vertreter der Agenda 2010 und damit auch von Hartz IV ist Steinbrück jedoch mit seinem Vorschlag nur konsequent. Wie schrieb der DGB Ende vergangenen Jahres: “Arm trotz Arbeit: Aufstocker sind wesentlicher Teil des Hartz IV-Systems“. Dort heißt es völlig richtig:

Wirtschaftspolitisch ist es verheerend, wenn Hartz IV faktisch als Kombilohn von Unternehmen missbraucht wird. Hartz IV-Leistungen wirken auf diese Weise wie ein unbefristeter Lohnkostenzuschuss, der dann besonders hoch ist, wenn die Unternehmen niedrige Löhne zahlen. Durch Dumpinglöhne wird aber der Wettbewerb zu Lasten fair zahlender Mitbewerber verzerrt. Eine Beendigung des Missbrauchs von Hartz IV durch das Aufstockerunwesen ist zugleich ein Beitrag für mehr Ordnung und Wettbewerbsgleichheit am Arbeitsmarkt.”

Steinbrück soll seinen Vorschlag im Rahmen einer Veranstaltung bei der Handwerkskammer in Düsseldorf gemacht haben. Es lohnt sich die Nachricht aus dem Deutschlandfunk ausführlicher zu zitieren, den sie beweist darüber hinaus, dass Steinbrück die Ursache der Massenarbeitslosigkeit in Europa immer noch nicht im Ansatz begriffen hat:

“SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück hat zur Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit in mehreren europäischen Ländern Lohnkostenzuschüsse aus EU-Mitteln gefordert. Diese Maßnahme könne eine sofortige Wirkung erzielen, sagte Steinbrück auf einer Veranstaltung der Handwerkskammer in Düsseldorf.”

Warum aber sollte ein Lohnkostenzuschuss “sofortige Wirkung erzielen”? Vielleicht weil Länder wie Griechenland und Spanien damit das von Deutschland unter anderem eben durch dieses Instrument forcierte Lohndumping damit ausgleichen können? Anstatt also in Deutschland endlich für eine verteilungsneutrale Lohnentwicklung und für die Abschaffung solcher Lohndumping-Instrumente einzutreten, sollen griechische und spanische Unternehmen jetzt auch ordentlich die Löhne drücken und vom Staat subventionieren lassen? Wie passt das darüber hinaus mit der auch von Steinbrück vertretenen Haushaltskonsolidierung zusammen, die gleichzeitig eingefordert wird? Ach so, dafür sollen dann ja “EU-Mittel” herhalten. Das würde in der Tat nahtlos in die Struktur und Vorgehensweise der bisherigen “Rettungspakete” passen, die ebenfalls allein auf die Angebotsseite setzen. Wirtschafts-, konjunktur- und auch sozialpolitisch aber passt bei Steinbrück nichts zusammen. Genausowenig wie bei der Bundesregierung. Aber reichlich abgebrüht ist Steinbrücks Vorschlag schon.

Das grundsätzliche Problem ist, dass Steinbrück wieder nur die Angebotsseite thematisiert: die Arbeitskosten. Nicht aber die Nachfrageseite. Mehr Nachfrage entsteht durch höhere Einkommen und nicht durch staatlich subventionierte Niedriglöhne. Dass man das dem Kanzlerkandidaten der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands erklären muss, zeigt, wie es um die SPD bestellt ist. Kaum öffnet Steinbrück den Mund, entfliehen daraus große Agedna-2010-Seifenblasen. Sonst nichts. Er kann gar nicht anders – und mit ihm die SPD. Das haben die vergangenen Wochen und Monate gezeigt. Das zeigt schließlich auch der Vorschlag Steinbrücks, Jugendarbeitslosigkeit mit Lohnzuschüssen bekämpfen zu wollen.

Wenn Steinbrück sinnvoll bei den Löhnen ansetzen will, dann muss er es hier in Deutschland  tun. Würde er hier endlich für eine verteilungsneutrale Lohnpolitik eintreten – was nicht vorstellbar ist, ohne an die Agenda-Gesetze heranzugehen, die er und seine Genossen gerade noch einmal kräftig gefeiert haben – und für spürbare Ausgabenüberschüsse zur Ankurbelung der Konjunktur hier und in der Eurozone, wäre dies ein Ansatz, der eine Alternative zur Austeritätspolitik der Bundesregierung durchblicken ließe. So aber zeigt sich Steinbrück genauso borniert und gefangen in seiner angebotspolitischen Vorstellung vom Arbeitsmarkt – die von den Unternehmen gezahlten Löhne müssen nur niedrig genug sein, dann stellen sie schon ein – wie die Bundesregierung. Wer das in seiner Funktion bis heute nicht begriffen hat, ist, daran kann kein Zwiefel bestehen, ein hoffnungsloser politischer Fall.

Zu den Bedingungen für einen Konjunkturaufschwung aus der Depression heraus haben wir gestern erst einen ausführlichen Beitrag veröffentlicht: Frühjahrstagung IWF und Weltbank: Warum die Amerikaner Recht haben – und Schäuble irrt

Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.

 


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