Wenn meine persönliche Einstellung auch ist: Etwas nicht zu wissen ist keine Schande, nicht neugierig zu sein und nicht nachzudenken schon. Im Fall der heute erschienenen Biografie Merkels von Lachmann und Reuth schlägt die Unwissenheit schon dem Fass den Boden aus. Auch der Umgang mit der vermeintlich neuen und in den Mittelpunkt der Berichterstattung gerückten Botschaft: Merkel sei FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda gewesen.
So fragte Dirk Müller heute früh im Deutschlandfunk (Hervorhebung, T.H.):
“Jetzt hat die Kanzlerin geantwortet auf die Frage, Agitation und Propaganda – das ist ja das, was die zwei Journalisten ihr jetzt vorwerfen, dort Sekretärin gewesen zu sein für Agitation und Propaganda -, da hat Angela Merkel gesagt: Ich kann mich nicht erinnern, in irgendeiner Weise agitiert zu haben, ich war Kulturbeauftragte. Ist das glaubwürdig?”
Schlimmer, als sich nicht zu erinnern, ist in diesem Fall aber wirklich, etwas als neu zu verkaufen, was seit langem bekannt ist. So heißt es bei wikipedia mit Bezug auf eine Quelle aus dem Jahr 2005:
“Merkel war weder Mitglied der SED noch einer der Blockparteien, aber auch nicht in der zivilen oder der kirchlichen Opposition aktiv. Sie engagierte sich während ihrer Tätigkeit an der Akademie der Wissenschaften in ihrer FDJ-Gruppe. Nach eigenen Angaben war Merkel in ihrer FDJ-Gruppe als Kulturreferentin tätig, während Quellen, die der Merkel-Biograf Gerd Langguth befragt hat, davon sprechen, sie sei für ´Agitation und Propaganda´ zuständig gewesen.”
Doch nicht nur Dirk Müller zeigt sich uninformiert (was im übrigen nicht davon abhalten sollte, die interessanten Antworten von Jacqueline Boysen, ebenfalls Merkel-Biografin, im Gespräch mit Dirk Müller ebenda nachzulesen). Auch Die Welt, bei der einer der Biografen, Günther Lachmann, Redakteur ist, meint (Hervorhebung, T.H.): “Auch stand sie dem DDR-System näher als bislang bekannt. Den Recherchen zufolge war sie an ihrem Institut an der Akademie der Wissenschaften etwa 1981 FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda. Merkel selbst bestreitet dies.”
Vielleicht bringe ich auch in acht Jahren eine Biografie heraus, mit der sensationellen Nachricht zum Beispiel, dass Peer Steinbrück 2013 SPD-Kanzlerkandidat war. Hat ja irgendwie auch etwas mit Agitation und Propaganda zu tun – nicht ganz soviel vielleicht wie die Berichterstattung über die Merkel-Biografie und die Merkel-Biografie selbst. Aber immerhin. Ich werde drüber nachdenken.
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Alltag im Regierungsviertel