Medien/Schattenkabinett/SPD/Bundestagswahl/Florian Pronold: Das Richtige im Falschen

Auch Die Welt hat sich des Neuzugangs im Schattenkabinett von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück angenommen. Und sie wiederholt das, was alle schreiben – außer uns. Robin Alexander in der Welt:

“Für Steinbrück ist die Personalie Pronold trotzdem mehr als peinlich. Denn mag der sich auch zum gemäßigten Linken gemausert haben, so bleibt sein Name doch mit einem Mitgliederbegehren gegen die Agenda 2010 verbunden. Er ist damit nach dem Bau-Gewerkschafter Klaus Wiegehügel schon der zweite Mann im Kompetenzteam, der für das Gegenteil von dem eintritt, für das Gerhard Schröder steht und Steinbrück einmal gestanden hat: den Anspruch, soziale Gerechtigkeit mit Reformpolitik zu verbinden.

Steinbrück dementiert mit diesen Personalien nicht nur sich selbst und die erfolgreiche Regierungsarbeit der SPD. Steinbrück gibt jetzt schon den Wettkampf mit Angela Merkel auf. Denn seine Mannschaft zielt allein auf die Mobilisierung der Traditionsbataillone. Den Wähler der Mitte glaubt die SPD gar nicht mehr erreichen zu können. Es reicht ihr, sich nicht allzu gerupft in eine große Koalition zu retten.”

(kursive Hervorhebung: Wirtschaft und Gesellschaft)

Das, was Pronold und mit ihm die SPD aber wirklich unglaubwürdig macht, ist doch nicht, dass Pronold jenes Mitgliederbegehren gegen die Agenda 2010 unterzeichnet hat, sondern, dass er im Deutschen Bundestag dennoch für Hartz IV, das Flaggschiff der Agenda 2010, gestimmt hat, wie unsere Recherche erwiesen hat.

Pronold ist damit gerade nicht “für das Gegenteil von dem eingetreten für das Gerhard Schröder steht und Peer Steinbrück einmal gestanden hat”, wie Alexander meint. Das Wahlprogramm der SPD und der “Stolz” Steinbrücks auf die Agenda 2010 sprechen darüber hinaus auch nicht dafür, dass Steinbrück nicht länger für das eintritt, “für das Gerhard Schröder steht”.

Zuzustimmen ist Alexander jedoch darin, dass derzeit alles auf eine Neuauflage der Großen Koalition hinausläuft. Zumindest das Bestreben der SPD. Denn die Kanzlerin kann zurzeit durchaus darauf bauen, dass sie erneut eine Regierung mit der FDP bilden kann (vergleiche hierzu: Die aktuelle Sonntagsfrage und die von 2009: Wieder ein Volltreffer?)

Die Kritik Alexanders an der SPD geht allerdings in die völlig falsche Richtung, wenn er “die erfolgreiche Regierungsarbeit der SPD” bemüht, die Steinbrück mit der Wahl Pronolds “dementieren” würde. Erfolgreich war die Regierungsarbeit vielleicht im Sinne von Großverdienern und Vermögenden, nicht aber im Sinne der Bevölkerungsmehrheit, wie nicht zuletzt unser heutiger Beitrag zur Entwicklung der privaten Konsumausgaben belegt. Sie war es auch nicht im Sinne der SPD-Mehrheit, bedenkt man die historische Wahlschlappe 2009, von der sich die Partei bis heute nicht erholt hat, was nicht verwundert, guckt man sich Personal und Programmatik der SPD an, sofern man von letzterer überhaupt sprechen kann. Sie war es schließlich auch nicht im Sinne Europas. Denn das mit der Agenda 2010 angestrebte und verwirklichte Lohndumping ist eine zentrale Ursache für die Eurokrise, die gleichzeitige Umverteilung von unten nach oben und die insbesondere von dem damaligen Finanzminister Steinbrück zu verantwortende Deregulierung der Finanzmärkte eine zentrale Ursache für die Finanzkrise.

Als ob die SPD zu einer wirklichen Alternative zur Bundesregierung finden könnte, indem sie an die “erfolgreiche Regierungspolitik” Schröders anknüpft. Das Problem der SPD ist vielmehr, dass sie sich bis heute nicht glaubwürdig von der Agenda 2010 distanziert und eine alternative Politik formuliert hat, die diesen Namen verdienen würde.

Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.


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