Bezahlmodelle im Internet/Paywall/Journalismus/Mediendemokratie
Wir haben am 28. Mai in einem ausführlichen Beitrag die von Springer ins Licht der Öffentlichkeit gerückten Bezahlmodelle im Internet diskutiert. Am hat Jakob Augstein auf das Thema unter der Überschrift “Schluss mit kostenlos” ebenfalls aufgegriffen. Augstein kommt in seinem Beitrag zu ähnlichen Schlussfolgerungen wie ich. In seiner Antwort auf kritische Leserkommentare aber vermittelt er eine in meinen Augen doch sehr fragwürdige Aufgabenverteilung zwischen Journalisten und “Bloggern”.
Ich muss vorweg anmerken, dass ich den Wörtern Blogger und Blog immer schon kritisch gegenüberstand. Nicht nur, weil ich, so sehr ich die englische Sprache liebe, Anglizismen gerade nicht mag. Irgendwie hatte ich schon immer das Gefühl, dass der, der schreibt, aber als Blogger bezeichnet wird, einen bestimmten Stempel aufgedrückt bekommt. Hier der seriöse Journalist, dort der Blogger. Hier Kultur, dort Subkultur. Und mein Unbehagen gegenüber jedweden Stempel, der allzu häufig, wenn nicht immer dazu führt, dass derjenige, der diesen Stempel aufgedrückt bekommt, unabhängig von dem was er tut, in diesem Fall schreibt, von vornherein mit anderen Augen gesehen, in diesem Fall gelesen und bewertet wird, hat Augstein nun auf sehr anschauliche Art und Weise bestätigt.
Augstein hierzu am 30. Mai in einem Eintrag unter seinem Beitrag:
“…Ich finde seit ungefähr 150 Jahren, dass Blogger und prof. Journalisten Hand in Hand arbeiten sollen. Die einen verdienen ihr Geld mit diesem und jenem. Die anderen mit Journalismus…Ach so, und noch ein Wort zu den Bloggern. Was ist die Aufgabe der Blogger? Sie führen die demokratische Bürgerdebatte, in aller Öffentlichkeit. So wie wir es hier gerade machen. Das ist exemplarisch, weil die Positionen verhandelt werden. Und zwar nicht wie in manchem Forum, wo Leute einfach ihre schlechte Laune loswerden, sondern als Gespräch. Die Journalisten sollen die Mächtigen kontrollieren und die Blogger sollen die Journalisten kontrollieren. Das macht Sinn…” (Fette Hervorhebung: Jakob Augstein; kursive Hervorhebung: Florian Mahler)
Mein Eintrag dazu an Augstein, ebenfalls am 30. Mai:
“Lieber Herr Augstein,
d´accord, was den Kulturwandel anbelangt. Ich bin da übrigens gar nicht so pessimistisch. Das wird später rückblickend vielleicht wirklich das Verdienst Springers sein – und das muss man meiner Meinung nach in der Tat losgelöst von den ´Inhalten´ der Bild-Zeitung diskutieren-, diesen Schritt als erstes großes Medium gegangen zu sein.
Doch zu dieser Aussage von Ihnen – ´Die Journalisten sollen die Mächtigen kontrollieren und die Blogger sollen die Journalisten kontrollieren. Das macht Sinn.´ – wäre doch zu fragen:
a) Warum sollten allein die ´Journalisten´ die ´Mächtigen´ kontrollieren? Damit verbindet sich die Frage:
b) Wer ist ´Journalist´ und wer ´Blogger´? Ist zum Beispiel ein Journalist, der gerade von einer Zeitung entlassen wurde, weil sie eingestellt worden ist oder Personal abgebaut hat, nun ein ´Blogger´? Lebte der Journalismus mit der Gründungsphase der Bundesrepublik nicht gerade durch ´Quereinsteiger´ und half gerade so, die Bundesrepublik zu demokratisieren, und sind die Abgänger von Journalistenschulen heute mit einer Anstellung bei einer Zeitung damit gleich Journalisten, die Ihrem Bild eines Journalisten entsprechen? Sind die Journalisten zu weiten Teilen aufgrund der engen Verflechtung mit der Politik schließlich nicht selbst Teil jener Mächtigen, die Sie, da stimme ich ja mit Ihnen überein, kontrollieren sollten?
Vor diesem Hintergrund ist ihre Aufgabenzuweisung äußerst problematisch in meinen Augen. Mich erinnert diese einfache Zweiteilung ein bisschen an den Streit zwischen zwei Kindern im Garten darüber, wer denn jetzt Cowboy und wer Indianer sein soll.
Damit machen Sie es dem Journalismus ein bisschen einfach wie ich finde, bzw. lassen Sie ihn ein bisschen zu schnell gut wegkommen. Nehmen Sie nur den heutigen Tag und verfolgen Sie, wie der deutsche Journalismus von Spiegel online über alle möglichen Tageszeitungen bis hin zum Deutschlandfunk die Empörung über Hollande wegen seiner EU-Einwände wiedergibt. Das ist wirklich beschämend für die Zunft. Schreibe ich, als Journalist.
Nein, ich bin vielmehr der Meinung, dass eine neue Kultur im Internet auch dazu dienen müsste, den Journalismus, die Medien, wieder mehr zu öffnen, ja, zu demokratisieren. Und wer weiß, vielleicht bringt auch dies eine Bezahlkultur voran, indem Sie die Nutzer/Leser neu darüber nachdenken lässt, für welche Berichterstattung sie ihr Geld ausgeben.
Beste Grüße,
Florian Mahler”
Augstein hat am 31. Mai einen weiteren Eintrag unter seinen Artikel geschrieben. Neben seinen erneuten Ausführungen zur Notwendigkeit einer Bezahlkultur – denen ich voll und ganz zustimme – antwortet er zum Thema “vierte Gewalt”, Journalismus und “Bloggertum”:
“Liebe Alle,
Danke für die Debatte, Und Danke für die Kritik.
Aber bitte nehmen Sie es mir nicht übel, zwei Fragen bleiben hier konsequent offen:
Wo soll der Geld herkommen?
Und wer übt die Macht der 4. Gewalt aus?
Das sind die beiden sehr einfachen und wichtigen Fragen und ich finde hier keine Antwort. Nach alle den Jahren des freien Netzes und der Entwicklung des Bloggertums funktioniert die Medienöffentlichkeit immer noch ganz genauso wie früher: Hans Leyendecker deckt irgendetwas auf und die Regierung muss sich warme Socken anziehen.
Lachen Sie darüber? Ist Ihnen das egal? Ich nicht. Mir nicht.
Das ist die Funktion der Presse. Erinnern Sie sich, was wir dieser Funktion verdanken. Das geht uns alle an. Buchstäblich.”
Das ist eine interessante Ergänzung. Zwei Aussagen stechen mir dabei ins Auge, die zu weiterführenden Gedanken, auch zu Widerspruch einladen:
Erstens: Gerade, weil Augstein Leyendecker als positives Beispiel nennt, ist doch wohl festzuhalten, dass Leyendecker eben eher eine Ausnahme im Journalismus darstellt. Ein interessantes Phänomen, das mir dazu vor einigen Tagen schon in den Sinn kam: Investigativer Journalismus wird immer darauf verwendet, dass jemand einen Skandal einer Regierung oder eines Unternehmens etc. aufdeckt. Der große blinde Fleck dabei: die alltäglichen Aussagen von Politikern, Unternehmenschefs, Verbänden, Gewerkschaften – und Journalisten. Die in diesen Aussagen häufig enthaltenen Denkfehler und teils sicher auch bewussten, interessegeleiteten Manipulationen der Öffentlichkeit aufzudecken, gehört in meinen Augen unbedingt auch zu einem investigativen Journalismus dazu. Sie beeinflussen die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung und die öffentliche Meinung vielleicht, wahrscheinlich sogar, wesentlich stärker als dieser oder jener politische oder wirtschaftliche Skandal, sei er auch noch so schockierend. Anders als der Skandal aber, dessen Aufdeckung natürlich wichtig ist, drohen die alltäglichen Fehlinformationen durch Politik und Medien gleichzeitig aber still hingenommen zu werden. Dies zu verhindern ist u.a. eine wesentliche Aufgabe, der sich Wirtschaft und Gesellschaft verschrieben hat.
Zweitens: Augstein schreibt, “die Medienöffentlichkeit funktioniert immer noch ganz genauso wie früher”. Das ist in meinen Augen jedoch nicht ganz richtig. Das bekannteste Gegenbeispiel sind die . Sicher, selbst ihr hoher Verbreitungsgrad ist nicht gleichzusetzen mit dem der Süddeutschen Zeitung, sueddeutsche.de oder spiegel-online.de. Und doch haben sie in meinen Augen genau eines im Ansatz zumindest bereits erreicht: die Medienöffentlichkeit funktioniert nicht mehr ganz genauso wie früher. Noch größer, als das bisher schon auch von Wirtschaft und Gesellschaft angesprochene Publikum ist jedoch wahrscheinlich das Potenzial einer Leserschaft, die nach anderen Meinungen und auch nach Orientierung in der schier erdrückenden Informationsflut sucht. Das wiederum ist Ausdruck dessen, dass der herkömmliche Journalismus in Deutschland eben sehr große Defizite ausweist, wie ich sie in meinem Eintrag oben an Augstein versucht habe deutlich zu machen und die schließlich auch Augsteins Verweis auf Leyendecker ausdrückt. Das große Problem ist natürlich auch hier das, was man Medienmacht nennen kann oder, neutraler, auch Bekanntheitsgrad. Hier sieht sich der Journalismus – ich nenne ihn auch vor dem hier skizzierten Hintergrund bewusst nicht Bloggertum -, wie ihn die und auch dieses Medium betreiben, in der Tat vor eine schwierige Aufgabe gestellt, vielleicht selbst der . Eine Möglichkeit, dieses Problem zu überwinden, liegt sicherlich in einer Kooperation, einer kritischen Kooperation, soll heißen: nicht dieselbe Meinung ist entscheidend, davon bieten die einschlägigen Medien ja bereits mehr als genug, aber das Befördern eines Bewusstseins, sowohl der beteiligten Journalisten, als auch in der Leserschaft, dass eben solche Medien relevant sind, um den Journalismus als “vierte Gewalt” neu zu etablieren und dem Wort Pressefreiheit wieder Bedeutung und Einfluss zu geben.
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Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.
Dieser Text ist mir etwas wert
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