Markt für Internet zeigt beispielhaft, dass Privatisierung das Gegenteil von Freiheit und Effizienz bedeutet

Was ist nicht alles in den vergangenen zwanzig Jahren privatisiert und teilprivatisiert und uns mit individueller Freiheit, Eigenverantwortung und höherer Effizienz, die der Markt gegenüber dem Staat gewährleisten würde, “verkauft” worden: die gesetzliche Krankenversicherung, die gesetzliche Rentenversicherung, das Bildungswesen und und und: und das Internet bzw. deren Grundlage, die UMTS-Lizenzen und andere technische Voraussetzungen, deren Privatisierung Milliarden-Beträge in die öffentlichen Kassen gespült hat, im Namen der Haushaltskonsolidierung und marktwirtschaftlicher Effizienz. Indes, das Gegenteil von Freiheit, Eigenverantwortung und höherer Effizienz ist eingetreten.

Abgesehen von den ideologisch verblendeten Politikern von der FDP über die CDU/CSU bis tief hinein in die SPD und die Grünen, die diese Privatisierungen zu verantworten haben, war dies auch jedem mit gesundem Menschenverstand ausgestatten Bürger klar. Aber er konnte und kann sich gegen diese von einer breiten Parteienallianz oktroyierten “Freiheit” ja nicht wehren. Die “Auswahl” zu haben zwischen x Angeboten von Zusatzleistungen bei den gesetzlichen Krankenversicherungen zum Beispiel, bei gleichzeitiger drastischer Kürzung vormalig selbstverständlicher Grundversorgung, konnte niemals mehr “Freiheit” bedeuten, sondern nur das glatte Gegenteil: erzwungene Selbsteinschränkung, vor allem für diejenigen, die sich diese “Zusatzleistungen”, die vormals frei (!) waren, nicht leisten können; doch zählt nicht allein dieser finanzielle Aspekt. Der Bürger muss, will er sich damit beschäftigen und am Markt zurechtfinden, sehr viel Zeit aufwenden, die er vorher zur freien (!) Verfügung hatte; über die er eigenverantwortlich verfügen konnte: er konnte diese Zeit mit der Familie verbringen, anstatt am Schreibtisch, im Internet oder anderswo, Angebote zu sichten und zu bewerten, sich darüber “beraten” zu lassen und später mit den Versicherungen oder anderen “Marktteilnehmern” wegen der Kostenerstattung herumzuschlagen; er konnte in dieser Zeit ein Buch oder eine Zeitung lesen, Sport treiben, ein Instrument lernen und spielen, Freunde treffen, mit seinen Kindern Hausaufgaben machen, sich politisch engagieren und und und.

Über diese Zeit frei und eigenverantwortlich zu verfügen wurde uns mit den Privatisierungen und Teilprivatisierungen genommen; neben den dadurch entstandenen finanziellen Mehrbelastungen.

Doch das ist immer noch nicht die ganze Unfreiheit, die uns die Privatisierungen gebracht haben. Es ist auch das ständige und sicher nicht falsche Gefühl, fortlaufend über den Tisch gezogen zu werden von den vermeintlich “effizienten” Marktteilnehmern. Will das private Unternehmen, anders als der Staat (zumindest nach seinem traditionellen, leider weitgehend verloren gegangenem Verständnis), schließlich nicht aus allem und jedem den höchsten Profit herausschlagen? Das vielleicht jüngste und anschaulichste Beispiel dafür liefern die Anbieter von Internetdiensten. Für alles und jedes müssen wir Verträge abschließen – auch wenn uns  – zum Beispiel über das Angebot “keine Mindestlaufzeit” – suggeriert wird, frei und ungebunden zu sein.

So wirbt das Unternehmen 1 & 1 beispielsweise mit “keine Mindestlaufzeit”:

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Will man aber, zum Beispiel genervt aufgrund ständig langsamer Internetverbindung, einfach anrufen und Bescheid geben, dass man nicht länger monatlich den Betrag vom Konto abgebucht haben möchte, erfährt man, dass es faktisch eben doch eine Mindestlaufzeit gibt. Die nennt das Unternehmen “Kündigungsfrist”, und sie beträgt drei Monate! Natürlich steht das alles irgendwo, aber wer achtet schon darauf. Ich jedenfalls nicht. Das Unternehmen wirbt für dieses Angebot schließlich mit: “Ohne Mindestlaufzeit: Volle Flexibilität”.

Doch damit nicht genug. Man muss auch noch zusätzlich zur Kündigung, die man auch nicht telefonisch ausführen kann, sondern nur online oder auf dem Postweg, diese Kündigung bestätigen; das geht dann plötzlich telefonisch; tut man das nicht, geht das Unternehmen davon aus, dass man doch nicht kündigen möchte und der Vertrag läuft also weiter; schließlich ist die Kündigung nur “vorgemerkt”.

Mindestlaufzeit heißt jetzt "drei Monate Kündigungsfrist".

Es ist diese Bauernfängerei und gleichzeitige Gängelung, verbunden mit einem anonymen “Marktteilnehmer”, von dem ich gern einmal wüsste, wieviel er seinen immer freundlichen Mitarbeitern am Telefon bezahlt, die aufgrund jener Punkte sicherlich jede Menge Wut und Ärger von den “Kunden” einstecken müssen, die beispielhaft aufzeigt, wohin uns Privatisierung und Haushaltskonsolidierung geführt haben und weiterhin führen. Es handelt sich um nichts Geringeres als die Verschlechterung unserer materiellen und immateriellen Lebensqualität.

Der Staat ist über diese unverantwortliche Ideologie selbst zum Schnäppchenjäger geworden, immer bemüht seine “Kosten” niedrig zu halten oder mit anderen Worten: sich aus der (eigenen) Verantwortung zu stehlen. Neben der widerlichen Markt-Mentalität, die mittlerweile von der Politik über die Unternehmen auch breite Bevölkerungsteile erreicht hat bzw. diesen aufgezwungen und anerzogen wird, bedeutet dies darüber hinaus auch erhebliche gesellschaftliche Effizienzverluste. Um sich das zu vergegenwärtigen, muss man sich nur einmal vorstellen, um wieviel freier das Internet genutzt werden könnte, würde es kostenlos zur Verfügung gestellt als ein aus der technologischen Entwicklung heraus entstandenes neues öffentliches Gut. Privatpersonen, ob reich oder arm, Unternehmen, ob klein oder groß, ob mit viel oder wenig Kapital ausgestattet, könnten sich frei und gleich im Netz bewegen – und mit mehr Zeit auch für andere Tätigkeiten, die sie dann nicht länger für das Finden und Kündigen fragwürdiger Angebote aufwenden müssten. Auch die Gesundheitskosten würden sinken, denn schließlich machen Stress und Ärger krank, Sicherheit und Stabilität aber glücklich, gesund und kreativ.


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