Jetzt wird es entgültig eng für den DGB und seine satten Vertreter an der Spitze, allen voran Michael Sommer, von dem man seit jeher nicht weiß, wem er näher steht: dem DGB oder der SPD (siehe zum Beispiel den Beitrag von Michael Sommer und Sigmar Gabriel in der FAZ und meinen Kommentar dazu unten für die NachDenkSeiten [1]). Nun, das wiederum war und ist seit Gerhard Schröder und der Agenda 2010 eh kein großer Unterschied mehr. Beide Organisationen haben seitdem den einfachen Arbeitnehmer und vor allem die Arbeitslosen aus den Augen verloren (Gabriel zum Vorwärts: “Die SPD war nie die Partei der Arbeitslosen.”). Jetzt bringt es ausgerechnet das Handelsblatt an den Tag, dass das Meinungsforschungsinstitut Forsa damit beauftragt hatte, Manager zu befragen, ob sie für oder gegen den Mindestlohn seien.
Nicht genug, dass sich die Manager mehrheitlich für einen gesetzlichen Mindestlohn aussprachen. Mit durchschnittlich 8,88 Euro halten sie auch eine Höhe für angemessen, die die seit Jahren von DGB und SPD geforderten 8,50 Euro übersteigt. Hätten DGB und SPD Wirtschaft und Gesellschaft abonniert, wüssten sie es spätestens seit März: Hätten beide Organisationen ihre Mindestlohnforderung Jahr für Jahr auch nur dem Verteilungsspielraum (Arbeitsproduktivität+Inflationsziel der Europäischen Zentralbank) angepasst, stünde ihre Forderung heute, ihre ursprüngliche Forderung aus dem Jahr 2006 von 7,50 zugrundegelegt, fast auf den Cent genau bei jener jetzt durch die Umfrage im Auftrag des Handelsblatts herausgekommenen Durchschnittsforderung der Manager, nämlich bei 8,87; hätten DGB und SPD ihre Mindestlohnforderung aus dem Jahr 2010 von 8,50 entsprechend erhöht, läge ihre Forderung heute bei 9,25. Hier unsere Graphik zu unseren Berechnungen, die wir am 2. März hier veröffentlicht hatten: DGB/Bundesratsinitiative/Mindestlohn: Waren die Mindestlohnforderungen des DGB von vornherein zu niedrig angesetzt? (verbunden mit dieser die Bitte: Wir freuen uns, wenn Sie unsere Ideen und die damit verbundene Arbeit finanziell durch ein Abonnement oder eine Spende unterstützen; wir sind sogar dringend darauf angewiesen!):
Unter Berücksichtigung des so genannten Niedriglohnschwellenwertes sind freilich auch 8,88 oder 9,25 zu gering. Der liegt nämlich für Deutschland bei 10,20 Euro. Das spricht wiederum dafür, dass die Mindestlohnforderungen von DGB und SPD von vornherein zu niedrig angesetzt waren.
Natürlich ist es widersprüchlich, dass die befragten Manager gleichzeitig der Partei “besondere ökonomische Kompetenz” zusprechen, die sich bis heute nicht zu einem allgemeinverbindlichen, flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn durchringen kann, der CDU (53%). Immerhin kommt die FDP als vehementeste Gegnerin eines Mindestlohns bei den Managern nur auf 18 Prozent. Dass die SPD jedoch nur auf zwei Prozent kommt, unterstreicht in meinen Augen, dass sie weder in die eine Richtung, die der Manager, noch in die andere Richtung, die der Arbeitnehmer, seit der Agenda 2010 und ihrer verheerenden Wahlniederlage 2009 an Profil gewonnen hat und ihre Pseudo-Opposition nicht wirkt – zum Schaden der Arbeitnehmer und zum Schaden der Unternehmen, denen es wegen des damit verbundenen Lohndumpings seit Jahren an Nachfrage mangelt. Weil sich die SPD aber nicht zu mehr als einer Pseudo-Opposition aufraffen konnte und kann, ist es aus demokratischem Blickwinkel auch fast beruhigend, dass sie damit nicht punktet. Würde sie sich sonst darin doch auch noch bestätigt fühlen. Dass die Demokratie eine wirkliche Alternative braucht steht indes außer Zweifel.
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Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.
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(1) In einem kurzen Kommentar schrieb ich hierzu damals an die :
Muss das nicht auf wache Wählerinnen und Wähler scheinheilig wirken, da kein Satz dazu fällt, dass die SPD die hier problematisierte Entwicklung maßgeblich durch ihre Gesetzgebung in Regierungsverantwortung verursacht hat? Und wenn Gabriel und Sommer schreiben: “Die robuste Konjunktur und die günstige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt bieten die Chance, wieder klare Regeln aufzustellen, die die Menschen vor Ausbeutung und Lohndumping schützen.” Verhält es sich nicht zum einen gerade umgekehrt? – Die Menschen vor Ausbeutung und Lohndumping zu schützen bietet die Chance für eine robuste Konjunktur und eine günstige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Und zum anderen: Leuchtet aus jenem Satz von Gabriel und Sommer nicht schon wieder hervor, dass bei einer nicht “robusten Konjunktur” “klare Regeln” für den Arbeitsmarkt wieder fallen gelassen werden? Und schließlich: Ist die Einschätzung, wir hätten eine “robuste Konjunktur” und eine “günstige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt” nicht grob falsch, angesichts der fortbestehenden Exportabhängigkeit und aller Wahrscheinlichkeit auch in diesem Jahr sinkenden Reallöhnen, wie auch angesichts der voraussichtlich weiter anwachsenden prekären Beschäftigungsverhältnisse? Der ganze Text hat keine analytische Schärfe und Überzeugungskraft. So werden weder SPD noch Gewerkschaften neue Mitglieder gewinnen oder alte zurückgewinnen.
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