Wenn nicht noch ein Wunder geschieht – rot-grün also eine Mehrheit bei den Bundestagswahlen am 22. September erzielt – dürfen wir nun wirklich gespannt sein. Denn Gabriel hat nicht nur, wenig überraschend, erneut eine Regierung mit oder auch nur eine Tolerierung von rot-grün durch Die Linke ausgeschlossen, sondern auch eine große Koalition.
Im Interview der Woche mit dem Deutschlandfunk wurde er heute früh gefragt:
“Würden Sie eine Große Koalition eingehen?”
Gabriel:
“Nein, weil große Koalitionen sind, gut für große Krisen und sind für Zeiten, in denen man sozusagen viele, viele Herausforderungen im Inland zu lösen hat.”
Gabriel hofft also – meint er es denn ehrlich – auf das rot-grüne Wunder. Wir sind gespannt.
Seine Antwort ist darüber hinaus auch noch aus einem anderen Grund interessant, meint Gabriel doch tatsächlich wir hätten keine große Krise. Das irritiert auch den Moderator des Deutschlandfunks, der entsprechend nachfragt:
“Wir haben keine große Krise?”
Gabriel:
“Nein, wir haben Gott sei Dank keine große Krise. Wir hatten eine, und da sind wir gut durchgekommen, weil Frau Merkel uns die CDU vom Hals gehalten hat. Das war damals ihre wichtigste Aufgabe. Die CDU war ja gegen alles, was wir gemacht haben, um durch die Krise zu kommen: gegen das Konjunkturprogramm, gegen die Abwrackprämie, gegen die Kurzarbeiterregelung. Am Ende hat sozusagen Frau Merkel ihre CDU gebändigt und wir konnten das alles machen. Das ist der Grund, warum wir gut durch die Krise gekommen sind.”
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Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.
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Auch diese Antwort Gabriels lässt tief blicken. Wird sein Kanzlerkandidat – zur Erinnerung: es ist Peer Steinbrück – jetzt auch Gabriel vorwerfen, er sei kein “Europäer aus Leidenschaft”, wie zuvor der Kanzlerin, und dies gar mit dessen westdeutscher Herkunft begründen, so, wie zuvor der Kanzlerin mit deren ostdeutscher Herkunft? Denn keine große Krise zu haben, scheint sich für Gabriel ja daran fest zu machen, dass Deutschland seiner Ansicht nach “gut durchgekommen” ist. Was aber ist mit Griechenland, das gerade diese Woche wieder einen neuen Höchststand bei der Arbeitslosigkeit gemeldet hat, was mit Spanien, Italien, Portugal und der Eurozone insgesamt, die in der Rezession steckt und Arbeitslosigkeit in noch nie dagewesener Höhe verzeichnet. Wenn das keine große Krise ist, was dann? Interessant natürlich auch, dass Gabriel meint, dass wir nicht viele Herausforderungen im Inland zu lösen hätten.
Vergessen hat Gabriel anscheinend auch, dass es nicht nur die CDU war, die sich gegen Konjunkturprogramme wehrte, sondern bis zuletzt auch sein Kanzlerkandidat, Peer Steinbrück, damals Bundesfinanzminister. “Mein Eindruck ist, dass da nur Geld verbrannt wird”, sagte er noch am 12.09.2008 dem Tagesspiegel. Unmittelbar darauf, im vierten Quartal 2008 verzeichnete die deutsche Wirtschaft bereits ein gehöriges Minus. Vor diesem Hintergrund empfehle ich, die Antwort von Gabriel oben noch einmal zu lesen. Es kann dann eigentlich keine Unsicherheit mehr darüber herrschen, was man von Gabriel als Politiker zu halten hat.
Und als ob Gabriel diesen Eindruck noch einmal bestätigen wollte, geht es munter so weiter.
“Man muss sich natürlich schon fragen, wie kann das eigentlich sein, dass die Bundeskanzlerin startet mit der Überschrift ´Kein Cent für Griechenland´, dann aber jedes Jahr mehr Milliarden dafür bewilligt? Wie kann das sein, dass sie den Deutschen vormacht, sie würde keine Schuldenunion organisieren in Europa, es aber heimlich über die Europäische Zentralbank längst getan hat.”
Das zeigt nicht nur, das Gabriel kein eigenes Konzept für die Eurokrise hat – wie auch, wenn er keine große Krise sieht. Er spielt auch munter darüber hinweg, dass er und seine Partei im Deutschen Bundestag alles mit bewilligt haben.
Nach dem Interview weiß man wirklich nicht länger, soll man froh sein, dass Gabriel nun auch eine große Koalition ausgeschlossen hat und damit aller Wahrscheinlichkeit nach auch eine Regierungsbeteiligung der SPD, oder nicht? Ich bin ja seit längerem – spätestens mit der einstimmigen Nominierung des Parteivorstands, also auch mit den Stimmen der SPD-Linken, von Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten -, dass die SPD mindestens noch einmal vier Jahre in der Opposition braucht, um zu einer Sozialdemokratie zurückzufinden, die ihren Namen auch verdient und der Bevölkerung Hoffnung machen kann. Das ist, so prekär das klingen mag, immer noch optimistisch gedacht, berücksichtigt man das bestehende und selbst das Nachwuchspersonal der Partei und die Herkulesaufgabe für diese, eine glaubwürdige sozialdemokratische Politik zu formulieren. Vielleicht verkündet Gabriel ja aber auch, um dieser – aus seinem Blickwinkel gesehen – Horrorvision zu entgehen, nach der Bundestagswahl plötzlich die große Krise und fertig ist die große Koalition.
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