Verfolgt man die Nachrichten, gewinnt man ein weiteres Mal den Eindruck, dass die SPD einem aufgeschreckten Hühnerstall gleicht, nicht aber einer Partei, die gerade reichlich selbstgefällig ihren 150jährigen Geburtstag gefeiert hat; ein zweitägiges Fest, das übrigens zwei Millionen Euro gekostet haben soll.
Der Ausgangspunkt: “Es wird in Griechenland noch einmal ein Programm geben müssen”, soll Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bei einer Wahlkampfveranstaltung gesagt haben. Und plötzlich entdeckt auch die SPD das Thema Eurokrise wieder für sich als Wahlkampfthema. Freilich nicht verbunden mit irgendeiner Strategie, Aufklärung, Information an die Bundesbürger, sondern nur verbunden mit populistisch-pubertären Vorwürfen an die Kanzlerin und dem lächerlichen Ersuchen um Informationen, nach “konkreten Zahlen” (Gabriel). Die SPD braucht nicht nur die CDU, um ein Thema zu entdecken. Sie hat auch keinen eigenen Plan.
Wie immer als erster meldet sich SPD-Chef Gabriel zu Wort: “Wolfgang Schäuble spricht aus, was die Kanzlerin der Bevölkerung verheimlichen will: Griechenland wird weitere Hilfen – in welcher Form auch immer – beantragen. Das ist auch eine Folge der einseitigen Politik von Frau Merkel”, erregt Gabriel sich gegenüber dem Kölner Stadt Anzeiger.
Was Gabriel selbst verheimlicht: Ihm ging der Sparkurs der Bundeskanzlerin – und den meint Gabriel mit “der einseitigen Politik von Frau Merkel” – lange nicht weit genug. Das war ihm Ende 2011 noch einen eigenen Gastbeitrag in der FAZ wert. Und noch im Mai 2012 sagte Gabriel gegenüber der FAS: “Natürlich müssen viele Länder in Europa ihre Arbeitsmärkte flexibilisieren, natürlich müssen wir in Europa Staatsbetriebe privatisieren.”
Das ist Gabriel, wie er leibt und lebt. Heute, hier, morgen dort. Doch was für eine Alternative bieten Gabriel und die SPD heute? Alles, was sie der strengen Austeritätspolitik der Kanzlerin und ihres Bundesfinanzministers zur Seite stellen wollen ist ein so genannter Wachstumspakt oder Marshall-Plan. Ein bisschen mehr Geld in die Hand nehmen und ansonsten kräftig weiter die Agenda 2010 auf europäischer Ebene durchsetzen. Würde die SPD dies stattdessen ernsthaft hinterfragen, käme sie auch nicht umhin, ihre eigene Politik zur Disposition zu stellen.
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Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.
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Dass sie das nicht tut, zeigte zuletzt gestern ein gemeinsamer Auftritt des Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück mit Altkanzler Gerhard Schröder. Letzterer hatte keine größere Sorge als:
“Was mich umtreibt ist, seitdem (seit der Agenda 2010, Wirtschaft und Gesellschaft) ist so gut wie nichts passiert, eher eine Rolle rückwärts. Das ist aktuell noch nicht spürbar, möglicherweise, aber nach der Wahl wird es spürbar werden. Und dann wird die ganz große Lüge über das, was man angeblich nicht sieht, nämlich, dass Deutschland zahlen wird müssen für ein Europa, dass nicht so gut auf den Beinen ist wie wir selber.”
Orginalton Schröder bei einer Wahlkampfveranstaltung mit Kanzlerkandidat Steinbrück in Detmold, der ihm natürlich nicht widersprach (siehe auch Zitat des Tages). Beide sind schließlich stolz auf die Agenda 2010 und kommen bis heute nicht darauf, dass das durch sie per Gesetz legitimierte Lohndumping etwas mit der Eurokrise zu tun haben könnte. Steinbrück beklagt dann auch im Anschluss an Schröders Rede “keine klare Strecke” bei der Kanzlerin.
So wenig ich mit der Bundeskanzlerin und dem Bundesfinanzminister in ihrer Europapolitik inhaltlich übereinstimme (wir haben dies mannigfaltig an anderer Stelle begründet), so wenig ist die SPD eine Alternative zur Politik der Bundesregierung. Gegenüber der Uneinsichtigkeit der SPD muss man aber der Kanzlerin immerhin zugute halten, dass sie – aus welchen Motiven auch immer – die Fähigkeit bewiesen hat, politisch umzusteuern, wenn auch erst, als die Katastrophe da war (Fukushima). Der SPD ist dies nach ihrem katastrophalen Wahlausgang 2009 bis heute nicht gelungen. Sie sind die Zyniker der Macht par excellence. Auch, dass, wie Schröder und Steinbrück es der Bundeskanzlerin vorwerfen, seit der Agenda 2010 “so gut wie nichts passiert ist”, ist ja schon gegenüber dem sozialen Kahlschlag, den die SPD in Regierungsverantwortung verübt hat, fast schon positiv zu bewerten.
“Die ganz große Lüge” sieht Schröder bei der Kanzlerin. Auch Gabriel wirft der Kanzlerin mit Bezug auf die oben zitierte Äußerung Schäubles vor, etwas zu “verheimlichen.” Was die SPD in dieser Hinsicht vom aufgeschreckten Hühnerstall unterscheidet: Hühner können sich weder selbst noch ander belügen.
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