SPD/Bundestagswahlkampf: Reif für die außerparlamentarische Opposition

Vorweg: Ein Politiker, der seine eigene Politik hinterfragt, eine Partei, die ihre eigene Politik infrage stellt und, sollten sie diese als fehlerhaft begreifen, korrigiert, ist ein demokratischer Gewinn und verdient Anerkennung und Zustimmung – unabhängig davon, welche politische Auffassung man selbst vertritt. Nun aber zur politischen Gegenwart der ältesten Partei Deutschlands.

Es ist wohl eine Mischung aus Abgebrühtheit, falscher Selbstwahrnehmung und Entfremdung von der Lebenswirklichkeit, die außerhalb des Deutschen Bundestages, ihres Fahrdienstes für Abgeordnete, Karriereismus und abgrundtiefen Partei-Geküngels stattfindet: In Berlin meint die SPD das Thema Mieten glaubwürdig im Bundestagswahlkampf besetzen zu können, ist doch aber für fehlende Wohnungen, explodierende Mieten und Gentrifizierung politisch verantwortlich. Bürgermeister und Landeschef Klaus Wowereit regiert Stadt und Land seit 2001.

Auf Bundesebene beklagt ausgerechnet Peer Steinbrück explodierende Managergehälter. Da schaltet selbst das Handelsblatt den Lügendetektor ein. Freilich geht es dem Handelsblatt um nichts anderes, als Steinbrücks Aussage zu widerlegen: “Früher hat ein Vorstandschef das Dreißigfache der Durchschnittseinkommen verdient, heute bekommt er das Dreihundertfache.” Und tatsächlich hat Steinbrück zu hoch gegriffen. Das eigentlich Verlogene aber ist, das Steinbrück überhaupt diesen Anstieg beklagt, ohne darauf hinzuweisen, dass die Regierung Schröder und später die große Koalition mit ihm als Finanzminister nicht nur nichts dagegen unternommen, sondern diese Entwicklung erst ermöglicht und ihr freien Lauf gelassen hat – bei gleichzeitigem Lohndumping per Gesetz: Hartz IV, Leiharbeit, Minijobs.

Nach oben, zu den Managern, hat die SPD in Regierungsverantwortung gebuckelt, nach unten getreten. Und jetzt versucht sie dies auf billigste Art und Weise zu kaschieren. Wir haben vor kurzem Joseph Fouché aufgegriffen, den Stefan Zweig als Diplomaten- und Politikertypus per se eindrucksvoll biographiert hat. Die SPD erscheint im laufenden Bundestagswahlkampf als parteipolitisches Pendant dieses zur Perfektion gereiften politischen Opportunisten, dem es bis zu seinem dann doch bitteren Ende stets gelang, sich rechtzeitig auf die Seite des politischen Zeitgeistes zu schlagen, dem die Macht winkte.

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Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.

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In dieses Bild passt auch die Posse Frank-Walter Steinmeiers, sich gestern beim Parlamentarischen Kontrollgremium medienwirksam anzubiedern. Was ist er nur für eine lächerliche politische Figur. Das ist er spätestens, nachdem er trotz seiner historischen Wahlniederlage noch am Wahlabend den Fraktions- ja sogar den Parteivorsitz der SPD beanspruchte und, dazu gehören eben auch die richtigen bzw. falschen Parteifunktionäre, den Fraktionsvorsitz auch noch bekam. Der Mann, der noch 2007 zum Fall Kurnaz sagte: “Ich würde mich heute nicht anders entscheiden.” Und: “Man muss sich ja nur vorstellen, was geschehen würde, wenn es zu einem Anschlag gekommen wäre, und nachher stellte sich heraus: Wir hätten ihn verhindern können.” (Quelle: Spiegel online).

Und heute Hubertus Heil wiederum im Handelsblatt. Heil meint tatsächlich widerspruchsfrei unter anderem das Folgende vertreten zu können: “Die Regierung lebt in vielen Bereichen von der Substanz der vergangenen Jahre, gerade in der Wirtschaftspolitik.” Damit meint er natürlich die Agenda 2010. Und: “Beim Thema Fachkräftesicherung: Wir erleben einen tief gespaltenen Arbeitsmarkt. In den Unternehmen werden händeringend qualifizierte Arbeitskräfte gesucht. Auf der anderen Seite sind Menschen abgehängt in prekärer Beschäftigung oder gefangen in Langzeitarbeitslosigkeit. Die Frauenerwerbsbeteiligung ist zu niedrig. 60.000 junge Menschen verlassen Jahr für Jahr die Schule ohne Abschluss, 1,5 Millionen zwischen 20 und 30 Jahren haben keine berufliche Erstausbildung. Das sind Unterlassungssünden dieser Regierung. Wenn ich mir dann noch anschaue, dass die Verkehrsinfrastruktur und die Breitbandinfrastruktur verrotten, kann ich nur sagen: Das waren vier verlorene Jahre.”

Die prekäre Beschäftigung ist aber maßgeblich der Agenda 2010 geschuldet, und die anderen Politikbereiche bzw. -ergebnisse sahen zu SPD-Regierungszeiten nicht anders, teils schlimmer aus. Vielfach wurden sie in SPD-Regierungszeit erst verursacht. Und der Mindestlohn, den Hubertus Heil jetzt fordert, ist erst durch die Hartz Reformen und die Sanktionspraxis – die die SPD nicht abschaffen oder auch nur ändern möchte – überhaupt erst notwendig geworden. Allerdings sind die von der SPD und dem DGB geforderten 8 Euro 50 bekanntlich nicht existenzsichernd.

Heil meint doch tatsächlich: “Die CDU muss sich in der Opposition in den nächsten Jahren erholen, um herauszufinden, wo sie hin will.” Das Problem der CDU ist jedoch nicht, nicht zu wissen was sie will, sondern, dass sie das Falsche will. Davon aber gelingt es der SPD sich nicht glaubwürdig abzugrenzen, geschweige denn gelingt es ihr mit einer überzeugenden Alternative aufzuwarten. Wenn Heil seine Empfehlung an die CDU doch einmal für sich und seine Partei begreifen würde. Fast ist man nach all dem geneigt zu empfehlen: Die SPD muss sich in der außerparlamentarischen Opposition in den nächsten Jahren erholen, um herauszufinden, wo sie hin will. Das wäre die Chance sich zu verjüngen – wobei verjüngen keine Frage des Alters ist, sondern des Geistes -  und jenen Funktionärstypus zu hinterfragen, wie ihn Steinbrück, Steinmeier, Heil, aber auch Gabriel und bis tief auf die Landesebene und darunter zum Schaden der SPD und der Bevölkerung repräsentieren.


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