In einer Prüfungsmitteilung des Bundesrechnungshofs an die Bundesagentur für Arbeit vom 7. November 2012, die der Redaktion von “Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung” vorliegt, mahnt der Bundesrechnungshof die Bundesagentur für Arbeit, dafür Sorge zu tragen, “das Gebot der Wirtschaftlichkeit nicht zu überinterpretieren. Das Ziel, Haushaltsmittel einzusparen, darf nicht dazu führen, dass die gesetzlichen Aufgaben hintangestellt oder weniger beachtet werden.”
Durch persönliche Gespräche vor Ort war der Bundesrechnungshof zuvor zur Einsicht gelangt, dass in Einzelfällen “die Einsparung von Haushaltsmitteln zum beherrschenden, die gesetzlichen Ziele des SGB III zurückdrängenden Faktor wird.”
Diese Feststellungen erscheinen deswegen noch gravierender als die am 24. Juni vom “Spiegel” aus derselben Prüfungsmitteilung aufgegriffenen Vorwürfe des Bundesrechnungshofs an die Bundesagentur für Arbeit, ihre Vermittlungsstatistik zu manipulieren, weil die Haushaltskonsolidierung gleichsam als übergeordnetes Motiv für entsprechende Fehlentwicklungen zu Lasten der Arbeitslosen verstanden werden kann.
Dafür sprechen auch die aktuell gültige Zielvereinbarung, die die Bundesagentur für Arbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales für den Rechtskreis SGB II (Hartz IV) im Februar 2013 abgeschlossen hat, und ein Vorstandsbrief zur Planung und Steuerung in der Grundsicherung, die nicht Gegenstand der Prüfungsmitteilung des Bundesrechnungshof an die Bundesagentur für Arbeit waren, der Redaktion von “Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung” aber ebenfalls vorliegen.
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So steht in der Zielvereinbarung 2013 eine “besondere Verpflichtung” für die Bundesagentur für Arbeit, “die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende rechtmäßig, wirkungsorientiert und wirtschaftlich zu erbringen und dabei das Recht einheitlich anzuwenden…” an erster Stelle. Ferner gibt die Zielvereinbarung vor, dass der Anstieg der Ausgaben, der mit durch die Regelsatzänderung am 1. Januar 2013 begründet ist, auf 1,6 Prozent zu begrenzen sei. Aus einer zuvor vorgenommenen “Planung 2013 in den Rechtskreisen SGB II und SGB III”, die der Redaktion von “Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung” ebenfalls vorliegt, geht wiederum hervor, dass die Bundesagentur sinkende Mittel für Eingliederungshilfen zum Anlass nimmt, die verbleibenden Gelder zugunsten von “Neubewilligungen” und zu Lasten von “Vorbindungen” zu verwenden. Das aber scheint erneut im Widerspruch zur Kritik des Bundesrechnungshofs zu stehen, die sich dagegen richtet, das “marktnahe” Arbeitssuchende bevorzugt unterstützt werden. Geht man davon aus, dass “Neubewilligungen” aus dem Übergang aus dem Rechtskreis SGB III (Arbeitslosengeld I) in den Rechtskreis SGB II resultieren oder direkt neu bewilligt werden, die “Vorbindungen” aber schon länger dem Rechtskreis SGB II zugeordnet sind, greift diese Kritik auch hier.
Im “Vorstandsbrief SGB II 2013″ heißt es wiederum (kursive Hervorhebung Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse und Meinung): „Um die Aufgaben wirtschaftlich und wirkungsvoll zu bewältigen, kommt der Verzahnung der operativen mit einer vorausschauenden und auf die Integrationschancen der Kundinnen und Kunden ausgerichteten Eintritts- und Budgetplanung sowie deren Verbindlichkeit im Vollzug eine stärkere Bedeutung zu.”
Das entspricht dem Wortlaut und der “Handlungslogik” des Weißbuches der Bundesagentur für Arbeit aus dem März 2009, in dem es heißt: “Nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit zu steuern, gehört zu den Kernelementen der neuen Handlungslogik.” Diese “Handlungslogik” zitiert der Bundesrechnungshof in seiner Prüfungsmitteilung an die Bundesagentur für Arbeit einleitend, um dann eben diese wie oben zitiert zu hinterfragen.
Der abschließende Bericht des Bundesrechnungshofs wird voraussichtlich im Herbst erscheinen. Die vom Bundesrechnungshof eingeforderten Stellungnahmen zu den in der Prüfungsmitteilung aufgeworfenen Fragen sind, wie die Fragen selbst, von öffentlichem Interesse, da sie das Schicksal von Millionen Bundesbürgern betreffen. Weil mögliche Fehlentwicklungen auf der Basis bestehender Gesetze erst legitimiert und befördert werden, die auch die Arbeitsmarktpolitik im Rahmen der Agenda 2010 dem Primat der Haushaltskonsolidierung unterstellt haben, müsste sich auch die Politik angesprochen fühlen, zumal das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die entsprechenden Zielvereinbarungen mit der Bundesagentur für Arbeit abschließt.
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