Das Handelsblatt berichtet heute unter der Überschrift “Überrollt von Volkswagen” über den Unmut, den die deutsche Unternehmensführung von VW bei ihren schwedischen Partnern bei Scania erregt. Zurückgespiegelt auf Deutschland wirft die herrische Art, mit der die deutschen Unternehmensführer ihre schwedischen Partner düpieren, die Frage auf, warum sich deutsche Arbeitnehmer diesem Arbeitgebergebaren eigentlich unterordnen (müssen) und die Politik nicht längst eine egalitärere Unternehmenskultur eingefordert hat, sondern im Gegenteil den Arbeitnehmern vor allem durch die Agenda 2010 in den Rücken gefallen ist und damit jene Unternehmenskultur, in der der Chef sagt, was gilt, befördert hat?
Der deutsche Mehreitseigner VW, so einer der Vorwürfe von schwedischer Seite, würde die “schwedischen Benimmregeln der Unternehmensführung” grob verletzen, indem er “die Rechte der Minderheitsaktionäre und den Geist der Kooperation, der im schwedischen Modell der Unternehmensführung angelegt ist, ignoriert.” Da wird mal eben von deutscher Seite ein Nominierungsausschuss für die Besetzung des Vorstands von Scania abgeschafft. Die Begründung: “VW und der gleichfalls zum Konzern gehörende Lkw-Hersteller MAN halten zusammen 90 Prozent der Scania-Stimmrechte. Einen Nominierungsausschuss braucht man nicht.” So, laut Handelsblatt, das Vorstandsmitglied Hans-Dieter Pötsch an die Adresse der aufgebrachten Aktionäre im Mai auf der Scania-Hauptversammlung. So fragt sich sicher auch so mancher deutsche Politiker und Unternehmensführer, warum wir nicht gleich in Griechenland “durchregieren”. Und noch mehr deutsche Unternehmensführer sind aus dem gleichen Grund bzw. aus purem Machtverständnis heraus sicherlicherlich der Auffassung, dass Gewerkschaften und Betriebsräte nicht gebraucht werden und der Arbeitnehmer so oder so zu spuren hat. Das Stimmrecht hat schließlich er, der Arbeitgeber. Ein VW-Vorstandssprecherin äußerte sich dann auch entsprechend auf einen Protestbrief der Minderheitsgesellschafter von Scania: “Der bisherigen Position ´sei nichts hinzuzügen”, zitiert sie das Handelsblatt.
Richtig wohl auch die Einschätzung des Handelsblatts, dass es sich weniger um einen Macht-, denn um einen Kulturkampf handele. “Die Schweden sind es gewohnt, dass Entscheidungen einvernehmlich und im Konsens getroffen werden. Die Deutschen handeln nach der Maxime: Was der Chef sagt, gilt.”
Welcher deutsche Arbeitnehmer kennt das nicht?
Die Autorin und Leiterin der Abteilung Market Entry & Business Development bei der Deutsch-Schwedischen Handelskammer, Ninni Löwgren, hält dann auch fest:
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“Viele Unternehmen informieren sich nicht ausreichend über die Eigenarten der schwedischen Geschäftskultur, die sich deutlich von deutschen Geschäftsgepflogenheiten, der Kommunikation und dem Management unterscheidet. Resultat: Der Markteinstieg in Schweden läuft doch nicht ganz so gut wie gedacht oder es knirscht in der bilateralen Zusammenarbeit.”
Und, auch dies ist aus deutscher Unternehmenskultur – wie übrigens auch der politischen Kultur – hierzulande bestens bekannt:
“Es gibt große Unterschiede im Umgang mit Informationen. Die schwedische Geschäftskultur lässt einen freien Informationsfluss zu, während deutsche Unternehmen Informationen eher taktisch und strategisch nutzen. Suchen Sie also nicht nach dem berühmten Haken, wenn Ihr schwedischer Geschäftspartner Sie offen und frei an Daten und Fakten teilhaben lässt.”
So kann man sich nur wünschen, dass ein Teil jener schwedischen Kultur auch bei uns Einzug hält. Dass dafür in absehbarer Zukunft wenig bis gar nichts spricht, hat nicht zuletzt der Abbau von Arbeitnehmerrechten durch die unter rot-grün durchgesetzte Agenda 2010 gezeigt bzw. ist dieser geschuldet. Der Zwang, jede Arbeit annehmen zu müssen, die Sanktionierung Arbeitsloser unter das Existenzminimum und das perfide Feiern des zehnjährigen Jubiläums dieser Gesetzgebung durch die SPD in diesem Frühjahr sind die wohl anschaulichsten Beweise hierfür. Solange selbst für eine sich sozialdemokratisch nennende Partei gilt, dass so über die Köpfe und Schicksale von Menschen hinweg entscheiden wird, dürfen wir wohl auch von Unternehmensführungen keinen Kulturwandel erwarten. Da erscheint es fast konsequent, dass der “Erfinder” der Hartz-Gesetze Personalvorstand und Mitglied des Vorstands bei VW war.
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