EU-Kommission: Aktionismus für Arbeitslosenversicherung – Von Ursula Engelen-Kefer

Ursula Engelen-Kefer

Mit einem erneuten “Paukenschlag” zur Einführung einer Europäischen Arbeitslosenversicherung will die EU Kommission rechtzeitig vor den Europawahlen am 25. Mai 2014 Handlungsfähigkeit bei der Bekämpfung der hohen und steigenden Arbeitslosigkeit insbesondere für junge Menschen beweisen. Dabei ist dies ebenso als Medienereignis und Aktionismus zu werten wie ihre vorherigen Aufschläge zur Bekämpfung der dramatisch gestiegenen Jugendarbeitslosigkeit.

Bei den sonst üblichen Querelen und Unklarheiten ist es bereits beachtlich, dass sich der portugiesische Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso mit dem Kommissar für Wirtschaft und Währung Olli Rehn und dem Kommissar für Beschäftigung, Soziales, Integration Lazlo Andor offensichtlich auf gemeinsame Vorschläge verständigen konnten.

Dies mag allerdings auch daran liegen, dass sie unausgegoren, vage und nicht realisierbar sind: Aus einem neu zu errichtenden Fonds soll ein Teil der Arbeitslosenzahlungen übernommen werden, wenn die nationalen Arbeitslosenquoten eine bestimmte Höhe überschreiten. Alternativ könnte eine gegenseitige Versicherung der EU Mitgliedsstaaten gegen Konjunkturschwankungen und Ungleichgewichte eingerichtet werden. Die in Not geratenen Staaten sollen zu Strukturreformen verpflichtet werden, um dauerhafte Transferzahlungen zu verhindern. Zusätzlich soll die Vergleichbarkeit der sozialen Lage in den Mitgliedsstaaten verbessert werden. Vorgesehen ist hierzu die regelmäßige Erhebung von Indikatoren insbesondere Arbeitslosenquoten, Höhe der Jugendarbeitslosigkeit, Veränderung der Haushaltseinkommen, Armutsrisiko bei Arbeit, Verteilung von Einkommen und Vermögen. Damit soll ab 2014  die notwendige Transparenz für eine bessere Koordinierung der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ermöglicht werden.

Sowohl der vorgesehene Arbeitslosenfonds wie die gegenseitige übernationale Arbeitslosenversicherung würden gravierende Veränderungen des Lissabon Vertrages erforderlich machen, sie sind daher auf absehbare Zeit überhaupt nicht realisierbar. Die Verbesserung der Transparenz durch soziale Indikatoren ist keinesfalls neu. Der Mehrwert bei den schon seit Jahren bestehenden umfangreichen Analysen im Rahmen der Beschäftigungsleitlinien zur Koordinierung der Arbeitsmarktpolitik mit der Offenen Methode der Koordinierung (OMK) ist nicht erkennbar.

Die tatsächlichen Hürden für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit werden allerdings überhaupt nicht angegangen. Unabdingbare Voraussetzung sind: eine wirksame und nachhaltige Lösung der eskalierenden Finanzkrisen durch die Verlagerung der finanziellen Haftung auf die Verursacher – Eigentümer, Gläubiger und Top Manager der Finanzbranche; die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht; Marshallpläne für Beschäftigung und Ausbildung in den Euro Krisenländern mit wirksamer Konzeption zu Inhalten, praktischer Umsetzung sowie ausreichender Finanzierung und die Wiederherstellung der demokratischen Entscheidungsverfahren.

Wenn sich  jetzt ausgerechnet die EU Kommission mit der Bekämpfung der dramatischen Jugendarbeitslosigkeit durch eine EU Arbeitslosenversicherung profilieren will, erscheint dies so, als ob sich “die Brandstifter zu Brandlöschern” hochstilisieren wollen. In dem Rahmen einer gemeinschaftlichen Finanz- und Wirtschaftspolitik muss und kann auch die Koordinierung von Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik verbessert werden. Ein wichtiger Schritt dazu wäre eine EU Richtlinie, die alle Mitgliedsländer verpflichtet, ausreichende Arbeitslosenversicherungssysteme einzurichten.

Bleibt nur zu hoffen, dass ein derartiger Paradigmenwechsel in der Europapolitik zumindest noch bis zu den Europawahlen Ende Mai 2014 eingeleitet werden kann. Dies ist auch ein dringender Appell an die in der Bundesrepublik anstehende Bildung der neuen Bundesregierung und die Koalitionsverhandlungen.

Von Ursula Engelen-Kefer, die Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse und Meinung mit herausgibt, ist gerade ein neues Buch erschienen: Eine verlorene Generation; Jugendarbeitslosigkeit in Europa, Vorwärts Verlag Berlin, Oktober 2013. Die Buchvorstellung erfolgt im Rahmen der Frankfurter Buchmesse am 12.Oktober 2013, 11 Uhr 30 am Stand des Vorwärts Verlages.

 

 

 

 

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