Olaf Scholz, SPD, ist erster Bürgermeister von Hamburg und damit Stadt- und Landeschef. Er sollte also die die erst vor zwei Tagen vorgestellte Studie zur Kenntnis genommen haben, die den Investitionsrückstand bei der öffentlichen Infrastruktur in Bund, Ländern und Kommunen thematisiert. Ein weiteres Mal thematisiert. Denn die Versäumnisse bei Erhalt und Ausbau der öffentlichen Infrastruktur sind seit langem bekannt. Von Investitionen in die Infrastruktur profitieren Generationen. Jeder hanseatische Kaufmann weiß, dass solche Investitionen nach ihrer Nutzungsdauer über Kredite mit entsprechender Laufzeit finanziert werden sollten. Scholz aber scheint weder die alarmierenden Defizite bei Infrastruktur und in anderen politischen Aufgabenfeldern im Blick zu haben, noch kaufmännisch zu denken, denn er hat vorgeschlagen den Solidaritätszuschlag für den Schuldenabbau der Länder einzusetzen.
“Ich bin dafür, das Aufkommen des Solidaritätszuschlags zu nutzen, damit die Länder Spielräume gewinnen, ihre jahrzehntelang gewachsenen Schulden zurückzuzahlen”, sagte Scholz der Welt am Sonntag und hat es damit heute früh auch in die Nachrichten des Deutschlandfunks geschafft – denn prompt wurde Scholz für seinen Vorschlag von der saarländischen Ministerpräsidentin, Kramp-Karrenbauer, CDU, gelobt. Nichts kann wohl besser ausdrücken, was uns mit einer erneuten großen Koalition erwartet, als diese beiden vermeintlich staatstragenden Politiker. Da passt es doch hervorragend, dass die SPD Scholz in die heute beginnenden Sondierungsgespräche für Koalitionsverhandlungen mit der CDU schickt. Mit Parteichef Sigmar Gabriel, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Hamburgs Regierungschef Olaf Scholz, dem gescheiterten Kanzlerkandidaten 2013 Peer Steinbrück, Bundestagsfraktionschef und gescheitertem Kanzlerkandidaten 2009 Frank-Walter Steinmeier und Generalsekretärin Andrea Nahles sind übrigens ausschließlich SPD-Politiker vom rechten Parteiflügel vertreten. Die Vorsitzenden der “Parlamentarischen Linken” und der “Demokratischen Linken” der SPD scheinen sich ein weiteres Mal weggeduckt zu haben.
Der Vorschlag von Scholz und die personelle Zusammensetzung der SPD-Delegation zeigen, dass die SPD nichts, aber auch gar nichts seit 2009 dazugelernt hat, erst recht nicht seit 2003, als sie die Agenda 2010 über Deutschland verhängte. Hervorragend in dieses Bild passt auch die vergangene Woche im Interview mit dem Deutschlandfunk getroffene Aussage des SPD-Europa-Politikers, Martin Schulz, der es tatsächlich zum Präsidenten des Europaparlaments gebracht hat: “Wir haben ein Wahlprogramm, da steht drin, dass wir unter Umständen Steuererhöhungen brauchen.” (kursive Hervorhebung, T.H.) Auch Schulz kommt in Sachen Staatsverschuldung über diesen Allgemeinplatz nicht hinaus: “Ich weiß nur, dass man staatliche Aufgaben nicht finanzieren kann über permanentes Schulden machen oder über permanente Kürzungen.” Über Europa, über die Eurokrise und damit verbundene, dringene politische Aufgaben, vor allem die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, verliert der SPD-Politiker und Präsident des Europaparlaments kein Wort. Wenn aber nicht einmal der Präsident des Europaparlaments meint, dass die Eurokrise eine zentrale Rolle bei den Koalitionsverhandlungen spielen muss, dann gute Nacht!
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