Koalitionsverhandlungen: Merkel und Gabriel spielen heile Welt

Regelmäßig dringen jetzt einige mögliche Einigungen aus den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD nach draußen. Man könnte meinen, wir lebten in normalen Zeiten und die große Politik auf Bundesebene könnte die Menschen im nationalen Rahmen glücklich machen. Mietpreisbremse, Makler-Courtage, schnelles Internet, Energiewende, Teilzeitarbeitsregelungen, PKW-Maut, unausgegorene Vorschläge zur Überwindung der Altersarmut in Deutschland. Fast scheint es so, als sollten die zahllosen Landespolitiker, die an den Koalitionsverhandlungen in führender Funktion teilnehmen, die Provinzialität der Veranstaltung unterstreichen.

Sowohl SPD als auch Union stellen sich erwartungsgemäß taub gegenüber den Stimmen aus dem Euroraum und den USA, dass Deutschland seine auf Exportüberschüsse und “Lohnzurückhaltung” angelegte Wirtschaftspolitik ändern müsse, um außenwirtschaftliche Ungleichgewichte abzubauen und die deutsche Binnennachfrage zu stärken. Weder Gabriel noch Merkel haben sich hierzu geäußert.

Die paar Pflaster, die jetzt unter anderem in Form einer Mietpreisbremse und eines nicht Existenz sichernden Mindestlohns von 8,50 Euro verteilt werden sollen, sind aber weder geeignet, die offenen Wunden in der Europäischen Währungsunion und über deren Grenzen hinaus zu schließen, noch die Gerechtigkeitslücke, die sich seit der Agenda 2010 in Deutschland aufgetan hat.

Beides hängt miteinander zusammen. Denn die Arbeitsmarkt-”Reformen” haben das Lohn-Dumping gesetzlich legitimiert, das wesentlich zum deutschen Exportüberschuss, aber auch zur steigenden Rentenarmut geführt hat. Die Renten wurden zusätzlich durch die Renten-”Reformen” gesenkt.

Da von SPD und Union jene Politiklinie aber immer noch nicht grundsätzlich, ja, noch nicht einmal im Ansatz in Frage gestellt wird, wird am Ende der Koalitionsverhandlungen auch kein Koalitionsvertrag stehen, der dieser Grundproblematik Rechnung trägt.

Auch die gestern erneut nach unten revidierte Wachstumsprognose der EU-Kommission hat weder die Bundeskanzlerin noch den SPD-Chef zu einer Aussage bewegt, erst recht nicht einer irgendwie problemorientierten. Die soziale Frage in Deutschland und in Europa wird nicht adressiert, die wirtschaftspolitischen Grundlagen, mit denen ihr begegnet werden könnte, nicht diskutiert. Die angehende große Koalition macht sich von Anbeginn klein. Keine guten Perspektiven für Deutschland, Europa und die Weltwirtschaft.

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