Koalitionsverhandlungen/SPD-Basis: Wenn man den Nachrichten Glauben schenken darf, kann man der SPD-Basis schon einmal ein Nein zum Koalitionsvertrag empfehlen

“Das ist für die SPD ein ganz wichtiger Punkt. Deswegen rechne ich damit, dass irgendwo die 8,50 Euro auftauchen.” Das antwortet der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Volker Kauder, auf die Frage: “Die SPD-Linke pocht auf die Zahl 8,50 Euro pro Stunde beim Mindestlohn. Kommt die Zahl in den Koalitionsvertrag?” Derselbe Kauder sagt in demselben Interview: “Ich glaube, dass die SPD-Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag Mitte Dezember positiv ausgeht und es zur Großen Koalition kommt. Die SPD-Basis entscheidet ja auch über die Zukunft ihrer kompletten Führung.” Wenn es stimmt, was Kauder im ersten oben aufgegriffenen Satz sagt, bestätigt sich der Verdacht, dass die SPD-Führung selbst beim vielleicht zentralsten Thema nicht einmal die magere Forderung heraus holt, mit der sie in die Verhandlung hineingegangen ist. Warum soll es im übrigen zwingend bedeuten, dass ein Nein zum Koalitionsvertrag mit der Union die SPD-Führung zur Disposition stellt, was nicht nur Kauder kolportiert. Das ist jedoch längst nicht alles, weswegen man der SPD-Basis im Grunde genommen jetzt schon ein Nein zum Koalitionsvertrag empfehlen kann.

Nahezu zeitgleich meldet der Deutschlandfunk nämlich in seinen heutigen 12 Uhr Nachrichten:

Merkel: Schuldenabbau zentrales Projekt für neue Regierung

Bundeskanzlerin Merkel hat den Abbau des staatlichen Schuldenbergs als zentrales Projekt einer künftigen Bundesregierung bezeichnet…”

Sie wird dies sicherlich nicht losgelöst von dem bisherigen, also fortgeschrittenen Stand der Koalitionsverhandlungen gesagt haben. Das aber heißt, dass die SPD diesen für Europa, auch für Deutschland verheerenden Politikansatz mitträgt. Das ist auch nicht überraschend, da die SPD sich dieser allein für sich genommen unsinnigen Aufgabenstellung bis in die jüngste Vergangenheit radikaler verschrieben hat, als selbst die Union.

Wen wundert es darüber hinaus ernsthaft, dass Frank Walter Steinmeier, seinerseits unverfrorenerweise immer noch Vorsitzender der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, sich am schnellsten in allen außenpolitischen Fragen mit der Union geeinigt hat? Drohnen inklusive. Die Entscheidung darüber hat man schließlich vorerst nur, um die Gemüter zu besänftigen, angeblich auf 2017 verschoben. Aufgeschoben ist aber bekanntlich nicht aufgehoben. Auch in der zentralen außenpolitischen Frage von Krieg und Frieden wird kein anderer, friedensbeseelterer, gewaltfreier Wind wehen. Man muss dazu nur auf Steinmeiers Zeit als Außenminister in der letzten großen Koalition zurück blicken, um ihn entsprechend einschätzen zu können. Diesen Mann haben weder historische, von ihm zu verantwortende Wahlniederlagen zum Umdenken, Nachdenken oder irgendeiner Einsicht bewegen können, noch ein boomender Niedriglohnsektor, noch Entführungen deutscher Staatsbürger durch US-Geheimdienste.

Belassen wir es an dieser Stelle bei diesem “Dreiklang“. Steuererhöhungen, Umverteilung von unten nach oben, Rücknahme der Rentenkürzungen und Hartz IV waren entweder von Anfang gar nicht Gegenstand der Verhandlungen oder wurden mehr oder weniger stillschweigend aus dem Verkehr gezogen. Es ist in keinem Politikfeld ein Politikwechsel auch nur im Ansatz erkennbar. Auch wenn ich den Mindestlohn in Höhe von 8,50 für absolut ungenügend, weil nicht Existenz sichernd halte, wie auch die Konzeption, diesen nicht durch Gesetz, sondern durch eine Tarifkommission festlegen zu lassen, für verfehlt halte, so könnte man es unter den gegebenen Umständen doch immerhin als Durchbruch bezeichnen, würde für sofort ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 in Gesetz gegossen, und zwar ohne Ausnahmen außer Jugendlichen ohne Ausbildung. Das ist aber, nachdem was man hört, überhaupt nicht zu erwarten. Zu erwarten sind vielmehr zeitliche Verzögerungen und viele Ausnahmeregelungen, die den Mindestlohn von vornherein zum Scheitern verurteilen. Hierin zeigt sich die ganze Konzeptionslosigkeit, Prinzipielosigkeit und Kraftlosigkeit der SPD. Sollte sich dies bewahrheiten, wovon ich ausgehe, kann man der SPD-Basis nur ans Herz legen: Bitte, lehnt ihn ab, den Koalitionsvertrag.

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Hintergrund:

Bisherige Mindestlöhne in Deutschland liegen überwiegend deutlich über Mindestlohnforderung von SPD und DGB

Der Mindestlohn als sinnvolles Instrument gesamtwirtschaftlicher Steuerung (im Abonnement)

Steuererhöhungen: Warum der deutsche Staat nicht genügend Steuern einnimmt (im Abonnement)

Die Staatsschulden: Immer wieder missverstanden


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