Ralf Stegner ist mir – und ich höre und lese sehr viel – noch nie durch eine irgendwie geartete eigenständige, gar kluge Aussage aufgefallen. Heute früh hat ihm der Deutschlandfunk wieder eine Chance gegeben, seine schlechten Leistungen zu verbessern. Bei einem Moderator wie Christoph Heinemann, der mal wieder bewiesen hat, dass er zerebral irgendwo im kalten Krieg stehen geblieben ist – Heinemanns Frage zur politischen Öffnung der SPD gegenüber der Linken an Stegner: “Viele DDR-Bürgerrechtler sind nach der Wende in die SPD eingetreten. Wie sehr freuen die sich auf eine Zusammenarbeit mit ehemaligen Stasi-Leuten und SED-Mitgliedern?” -, noch dazu für einen SPD-Linken, wenn er denn einer wäre, eine komfortable Gelegenheit, sich richtig zu profilieren. Stattdessen hat es Stegner vorgezogen, erneut die Agenda 2010 für unbedingt notwendig zu erachten. Das könne man “überhaupt gar nicht bestreiten”. Es ist dieses unterirdische Niveau, das der SPD seit langem zu schaffen macht.
“Heinemann: Herr Stegner, heißt das, mit der SPD nie wieder “Agenda 2010″?
“Stegner: Nein. Das heißt vor allen Dingen, dass wir jedenfalls, wenn wir Reformen machen – und die waren ja auch damals notwendig. Das kann man überhaupt gar nicht bestreiten. Wir hatten fünf Millionen Arbeitslose, viele waren im Sozialhilfebezug ohne jede Perspektive. Aber dass wir darauf achten, dass nicht dabei herauskommt wie halt auch, dass da prekäre Beschäftigung sich noch verfestigt, dass auch teilweise in einem Tonfall geredet wurde über diejenigen, die in schwierige Lage kommen, dass manche ihre SPD da nicht wiedererkannt haben. Wir müssen die Gerechtigkeitspartei sein, wir müssen die sein, für die Gerechtigkeit Maßstab und Kompass ist, wir müssen die sein, die für die vielen Menschen, die arbeiten oder als Rentner gearbeitet haben, unseren Wohlstand alle miterarbeiten, dass die auch ihren Teil vom Kuchen bekommen.”
Stegner hat sich auch nach zehn Jahren Agenda 2010 nicht die Mühe gemacht, sich einmal die nüchterne Statistik anzuschauen. Er hat immer noch nicht begriffen, dass zum Zeitpunkt von Hartz IV die offenen Stellen einen historischen Tiefpunkt erreicht hatten. Ein unmissverständliches Indiz dafür, dass die hohe Arbeitslosigkeit konjunktureller Natur war und der mit Hartz IV eingeführte Zwang, jede Arbeit zu jedem Lohn und unabhängig von der Qualifikation annehmen zu müssen, die Arbeitnehmer bis heute der Willkür der Arbeitgeber und der Bundesagentur für Arbeit(geber) ausgeliefert hat. Und dann diese Verharmlosung, die SPD würde darauf achten, “dass nicht dabei herauskommt wie halt auch, dass da prekäre Beschäftigung sich noch verfestigt…” Zum einen ist der Anstieg der prekären Beschäftigung ursächlich mit Hartz IV und anderen damals verabschiedeten Gesetzen verbunden. Man kann also das eine, Hartz IV, nicht rechtfertigen, sogar für unbedingt notwendig erachten, und das andere, die Folge prekäre Beschäftigung, beklagen. Nichts zeigt dies besser, als dass Stegner sich nur um die “Verfestigung” der prekären Beschäftigung sorgt, nicht aber um deren Beseitigung. So ist das, wenn man nur meint an den Symptomen herumdoktern zu müssen.
Und in einem Punkt ist auch dieses Geschwafel Stegners aussagekräftig: “Wir müssen die Gerechtigkeitspartei sein, wir müssen die sein, für die Gerechtigkeit Maßstab und Kompass ist, wir müssen die sein, die für die vielen Menschen, die arbeiten oder als Rentner gearbeitet haben, unseren Wohlstand alle miterarbeiten, dass die auch ihren Teil vom Kuchen bekommen.” Die Arbeitslosen tauchen bei Stegner nämlich gar nicht auf. Er zieht damit mit Gabriel gleich, der gegenüber dem Vorwärts verlauten ließ: “Die SPD war nie die Partei der Arbeitslosen.” Während Gabriel aber ein ausgewiesener Agenda-Befürworter ist, geriert sich Stegner als SPD-Linker. Er hat sogar einen neuen, vermeintlich linken Kreis, den , in der SPD gegründet. Allerdings nicht gegen die Agenda 2010, sondern in Konkurrenz zu DL21, der demokratischen Linken in der SPD. Das ist zumindest ein Hinweis darauf, dass Stegner, wenn er schon nicht analysieren, so doch wenigstens intrigieren kann. Wenn das keine gute Voraussetzung ist, um in der SPD eine ordentliche Karriere hinzulegen – beides: nicht analysieren zu können und intrigieren zu können.
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