Am Sonntag durfte sich Christian Siedenbiedel in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) eine ganze Zeitungsseite über den von SPD, Union und Gewerkschaften anvisierten Mindestlohn von 8,50 Euro ausbreiten. Er nannte das “Faktencheck”. Das klingt bei ihm in der FAS dann unter anderem so:
Zum einen gibt es Länder wie Frankreich, in denen der Mindestlohn Arbeitsplätze kostet. Zum anderen kann man das Beispiel England unterschiedlich deuten: Wenn man das neoklassische Modell verteidigen will, kann man sagen, in England liegt der Mindestlohn mit umgerechnet 7,42 Euro eben unter dem Gleichgewichtslohn, deshalb ist nicht viel passiert – in Frankreich liegt er mit 9,43 Euro darüber, deshalb gibt es dort etwa eine hohe Jugendarbeitslosigkeit. Genau so prognostiziert es die Theorie.
1. Frage: Warum aber liegt in England dann die Jugendarbeitslosigkeit nach , Eurostat, mit 20,9 Prozent gar nicht soweit unter der Jugendarbeitslosigkeit Frankreichs mit 26,1 Prozent? 2. Frage: Und warum liegt die Jugendarbeitslosigkeit in Zypern, eines der wenigen Länder in der EU, die wie Deutschland keinen flächendeckenden Mindestlohn haben (1), bei 43,9 Prozent? 3. Frage: Warum ist in Luxemburg, dem Land mit dem höchsten gesetzlichen Mindestlohn, die Jugendarbeitslosigkeit geringer als in Rumänien, dem Land mit dem niedrigsten Mindestlohn (1)? 4. Frage: Und zu guter letzt, warum sollte die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich am Mindestlohn liegen, gilt der Mindestlohn in Frankreich doch ausdrücklich nicht für Jugendliche?
All das sagt schon viel über den so genannten Qualitätsjournalismus, hier dem in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Das Motto des Herrn Siedenbiedel scheint tatsächlich zu sein: Passen die Fakten nicht in meinen “Check”, dann erfinde ich mir eben welche.
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Hintergrund zum Mindestlohn:
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(1) “Im Januar 2013 gab es in 20 der 27 EU-Mitgliedstaaten (Belgien, Bulgarien, die Tschechische Republik, Estland, Irland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Lettland, Litauen, Luxemburg, Ungarn, Malta, Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, Slowakei und das Vereinigte Königreich), sowie in Kroatien und in der Türkei gesetzliche Regelungen oder branchenübergreifende Vereinbarungen zum Mindestlohn. Die monatlichen Mindestlöhne waren sehr unterschiedlich, sie reichten von 157 EUR in Rumänien bis zu 1 874 EUR in Luxemburg. Nach der Anpassung an die Preisniveauunterschiede zwischen den Ländern verringern sich die Unterschiede von einer Größenordnung von eins bis zwölf (in EUR) bis auf eine Größenordnung von eins bis sechs in Kaufkraftstandard (KKS). Rumänien (274 KKS) und Luxemburg (1 524 KKS monatlich ) bildeten dabei die beiden Gegenpole der Skala…In Deutschland, Zypern und in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien sind gesetzliche Mindestlöhne festgelegt, die nicht für alle bzw. nicht für die überwiegende Mehrheit der Erwerbstätigen gelten, sondern auf bestimmte Gruppen beschränkt sind, die beispielsweise nach Branchen oder Berufen definiert werden.” (Quelle: )
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