Alltag im Regierungsviertel/Eurokrise: Vier Spanier erzählen

Ich sitze im Café meiner Wahl und arbeite, schreibe also. Und die Wahl des Cafés ist bestimmt durch den günstigen Preis für einen heißen Tee, die Freundlichkeit der dort arbeitenden Menschen und die gute Internetverbindung. Da nehmen vier Spanier am Nachbartisch Platz.

Sogleich beginnen sie, meine vierbeinige Kollegin Hilka zu verwöhnen. Ich schätze sie auf Mitte zwanzig bis dreißig. Zwei Pärchen. Nach einer Weile traue ich mich endlich, sie zur Situation in ihrem Land zu fragen. Schnell sind sie Erzählfluss.

Drei von ihnen hätten noch Jobs, einer versuche sich in der Selbständigkeit. Sonst hätten sie sich die Reise nach Berlin ja gar nicht leisten können. Daheim sei alles sehr schwierig. Viele hätten ihre Jobs verloren. Es herrsche Obdachlosigkeit und Armut in einem Ausmaß, wie sie es noch nie gesehen hätten, wie sie es sich auch nicht haben vorstellen können. Seit fünf Jahren würde sich die Situation immer weiter verschlimmern. Menschen würden ihre Wohnungen und Häuser verlieren, weil sie die Kredite nicht länger bedienen könnten. Die Kredite aber blieben freilich bestehen. Die Proteste gegen die Sparpolitik, die nur den Banken zugute kommen würde, habe die Regierung mit einem Gesetz unterbunden, das Protestierenden jetzt mit horenden Geldstrafen drohe. Das käme einem Demonstrationsverbot gleich. Viele, sehr viele Menschen würden unter diesen Umständen Selbstmord begehen.

Ich entschuldige mich für die deutsche Politik, die dafür doch maßgeblich verantwortlich zeichne. Sie nicken verstehend und zustimmend. Der Abschied fällt sehr herzlich aus.

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