Bundestagsabgeordnete sollten zu Fuß gehen, das Fahrrad nehmen oder öffentliche Verkehrsmittel kostenpflichtig nutzen und auch für Taxis bezahlen

Die Bundestagsabgeordneten sind entgegen vieler Unkenrufe materiell sehr gut gestellt (1). Dennoch steht ihnen ein Fahrdienst mit noblen Karossen zur Verfügung. Umsonst. Geschenkt wird ihnen obendrein auch noch die Bahncard 100, erster Klasse. Sie können also in jeden Zug steigen und umsonst an jedes Ziel gelangen. Letzteres sogar abgesegnet durch das Grundgesetz. So heißt es in Artikel 48 Absatz 3:

“…(3) Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Sie haben das Recht der freien Benutzung aller staatlichen Verkehrsmittel. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.”

Allerdings ist die Bahn ja nun kein Staatsbetrieb im traditionellen Sinne mehr, sondern ein privatrechtlich organisiertes Staatsunternehmen. Und wesentlich einschneidendere Grundgesetzänderungen, als die Aufhebung dieses Privilegs, sind ja mittlerweile – und bedauerlicherweise – an der politischen Tagesordnung.

Das alles ist eben nicht dazu angetan, den so genannten Volksvertreter nahe bei den Bürgerinnen und Bürgern zu halten – deren Mehrheit zweiter Klasse fährt. Diese Menschen müssen, sofern sie einen Arbeitsplatz haben, auch häufig genug und unter widrigen Umständen lange Fahrtwege in Kauf nehmen – und sind noch dazu häufig deutlich schlechter bezahlt als Bundestagsabgeordnete.

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Die jetzt bekannt gewordenen Schwierigkeiten bei dem Unternehmen, das den Fahrdienst des Deutschen Bundestages anbietet (siehe dazu hier und hier), sollten für eine Grundsatzdiskussion über dieses Privileg der Bundestagsabgeordneten genutzt werden. Wie sehr dieses Privileg den Bundestagsabgeordneten den Sinn für die Lebensverhältnisse der Menschen vernebelt hat, zeigen nicht zuletzt die Bedingungen, zu denen die Fahrerinnen und Fahrer für den Fahrdienst, respektive die Bundestagsabgeordneten arbeiten müssen: “Rocvin ist nicht unumstritten, viele Fahrer verdienen durch wenige Einsätze und Niedriglöhne Berichten zufolge nur knapp 950 Euro im Monat oder kommen ausschließlich mit Zweitjobs oder Sozialleistungen über die Runden”, berichtet jedenfalls Spiegel online. Haben Sie darüber je lautstarken Protest der Bundestagsabgeordneten vernommen? Ich nicht. Es ist höchste Zeit, dass die Bundestagsabgeordneten wieder bei den Bürgern und ihren Lebensverhältnissen ankommen – nicht in der noblen Karosse eines Fahrdienstes, sondern zu Fuß, auf dem Fahrrad oder, aus der eigenen Tasche bezahlt, mit dem Taxi oder öffentlichen Verkehrsmitteln.

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(1) Siehe dazu auch hier.


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