Petition gegen Hartz IV-Sanktionen erfolgreich – Anliegen droht jedoch Ignoranz der Parlamentarier im Deutschen Bundestag

Mittwoch, 18. Dezember 2013. Vormittags. Gerade hat Inge Hannemann einen großen roten Koffer in das Sekretariat des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages getragen. Er war gefüllt mit Unterschriftenlisten. Unterschriften, die sich gegen die Sanktionspraxis im Rahmen von Hartz IV wenden. Gegen diese richtet sich die Petition von Inge Hannemann. Das notwendige Quorum zur Behandlung der Petition im Deutschen Bundestag wurde bereits vorgestern online erreicht. Gemeinsam mit den “analogen” Unterschriftenlisten summiert sich die Zahl der Unterzeichner auf weit über 80.000. Die Petition kann noch bis heute, 24 Uhr, weiter gezeichnet werden.

Petition droht unter die Räder der großen Koalition zu geraten

Das ist ein großer Erfolg. Und doch droht dieses wichtige, das Recht auf ein menschenwürdiges Leben berührende Anliegen, schnell wieder in Vergessenheit zu geraten. Für die Union und die SPD waren Hartz IV und die menschenverachtende Sanktionspraxis bei den Koalitionsverhandlungen kein Thema. Das nimmt nicht Wunder, haben diese Parteien doch die Agenda 2010, die SPD federführend, gemeinsam durchgesetzt. Es sind allesamt Agenda-Befürworter, die jetzt wieder an den Hebeln der Macht sitzen. Weder die SPD noch der DGB haben sich je für die Anliegen der Arbeitslosen stark gemacht. Der SPD-Chef höchstselbst brachte dies vor nicht allzu langer Zeit mit den Worten zum Ausdruck: “Die SPD war nie die Partei der Arbeitslosen.” Der DGB hat den Koalitionsvertrag gerade erst als seinen Erfolg gefeiert! Bündnis 90/Die Grünen haben immerhin ein Moratorium für die Sanktionspraxis gefordert. Die Linke hat sich als einzige Kraft im Deutschen Bundestag grundsätzlich gegen die Hartz IV Sanktionspraxis gestellt. Sie ist zwar jetzt Oppositionsführer im Deutschen Bundestag. Gleichzeitig ist sie aber selbst geschwächt aus den Bundestagswahlen hervorgegangen, und die Übermacht der Agenda-Befürworter, der großen Koalition, ist erdrückend.

Medien erachten “Reformen” des Arbeitsmarktes mehrheitlich als erfolgreich

Schließlich interessiert auch die Mehrheit der Medien dieser Komplex nicht. Im Gegenteil, die Mehrheit der Journalisten erachtet die “Reformen” des Arbeitsmarkts auf dem Rücken der Arbeitslosen und Beschäftigten für notwendig und erfolgreich. Und selbst den Gegnern der Sanktionspraxis gelingt es häufig nicht, die Sanktionspraxis in einen größeren Kontext zu stellen.

Die europäische Dimension

Dabei ist der ursächliche und zeitliche Zusammenhang zwischen der Einführung von Hartz IV und der Lohndrückerei in Deutschland offenkundig. Damit ist die Sanktionspraxis auch eine zentrale Ursache für die Krise in der Europäischen Währungsunion. Denn durch die gerade auch durch die Sanktionspraxis begründete, nicht verteilungsneutrale Lohnentwicklung in Deutschland, hat Deutschland gegenüber seinen Währungspartnern unfaire Wettbewerbsvorteile erzielt und im eigenen Land die Binnennachfrage niedrig gehalten. Der Versuch, diese deutschen Verhältnisse auf die so genannten Krisenländer zu übertragen, hat Massenarbeitslosigkeit, Elend und Verzweiflung dorthin exportiert.

Anstehende Europawahlen als Chance

Die Kritik an der Sanktionspraxis darf sich daher nicht allein auf die schlimmen sozialen Folgen hierzulande fokussieren. Die Sanktionspraxis ist sowohl hierzulande, als auch im europäischen Kontext auch eine ökonomisch zerstörerische Kraft, die analysiert und in die Debatte mit einbezogen werden muss. Die anstehenden Europawahlen gäben dafür eine öffentlichkeitswirksame Bühne, wenn, ja wenn die Tragweite der Sanktionspraxis von den politischen Protagonisten begriffen und vermittelt würde.

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