Die Sternsinger vom Ammersee – Von Wolfgang Schöller

Am Montag hat Kardinal Joachim Meisner die bundesweite Sternsingeraktion eröffnet. ”Ihr werdet zum Segen werden für andere Kinder”, predigte Meisner im Kölner Dom. Und so werden sie wie jedes Jahr wieder von Haus zu Haus ziehen, um Spenden für notleidende Kinder in aller Welt zu sammeln. 43,7 Millionen Euro waren es im vergangenen Jahr. Das Motto der diesjährigen Aktion: “Segen bringen, Segen sein. Hoffnung für Flüchtlingskinder in Malawi und weltweit.” Wie dieser Segen für Afrika vor vielleicht 60 Jahren aussah, erzählt Wolfgang Schöller, der als Kind am Ammersee aufwuchs, und den es später als Prof. Dr. für Volkswirtschaftslehre unter anderem an die Universitäten der politisch nunmehr unabhängig gewordenen Länder Tansania und Mozambik zog. Als ich selbst wiederum viele Jahre später an der Universität in Dar es Salaam, Tansania, studierte und im Jahr darauf noch einmal in Kooperation mit der Universität Dar es Salaam und dem staatlichen Landwirtschaftsservice Kisarawe eine Feldforschung unternahm, konnte ich mich davon überzeugen, dass tansanische Professoren, die bei Wolfgang Schöller studiert hatten und später dann vielfach in England oder den USA weiter reüssierten um danach doch wieder in Dar es Salaam zu landen, immer noch leuchtende Augen bekamen, als sie mir von dessen Lehrtätigkeit erzählten. Zu diesen Glücklichen darf ich mich schließlich auch zählen. Er hat mir die ökonomischen Klassiker mit den Worten schmackhaft gemacht: “Das ist wie ein gutes Stück Seife. Das wäscht sich nicht so schnell ab.” Und er hat Recht behalten. Wolfgang Schöller setzte seine eigenen Studienbedingungen. Dass er in seinem Büro an der Universität für Wirtschaft und Politik saß, was fast immer der Fall war, war einfach zu erkennen: Dichte Rauchschwaden zogen unter der Tür seines Büros hindurch. Wohliger Zigarrenduft lud zum Anklopfen ein. Hatte man sich durch den Nebel hindurch gekämpft, wurde man freundlich mürrisch – das geht tatsächlich beides zusammen - in Empfang genommen. Er murmelte dann etwas von Rauchverbot und öffnete das Fenster zum Innenhof einen Spalt breit. Und dann wurde erklärt, diskutiert, gestritten. Auf die Uhr hat er dabei nie geschaut. Was wäre wohl aus mir geworden, wäre ich nicht auf diesen Lehrkörper und Menschen im vornehmsten Sinne gestoßen? Wahrscheinlich hätte ich mich angesichts der vielen anderen mittelmäßigen Professoren und Professorinnen enttäuscht von der Volkswirtschaftslehre (VWL) abgewandt. Wer so lehrt wie er – seine Vorlesungen waren nicht wegen hoher Studierendenzahlen überfüllt, sondern weil seine Vorlesungen inhaltliche Leckerbissen waren und fesselten -, bei dem erstaunt es nicht, dass er auch anderes als VWL erzählen kann. Und doch war ich überrascht, als mich zu Weihnachten die Anekdote vom “Salamanderlurchi” erreichte. Kaum hatte ich die Geschichte ausgelesen, mich ausgegruselt und fertig geschmunzelt, bat ich um die Erlaubnis zur Veröffentlichung, die er mir freundlicherweise gestattete. Hier nun eine zweite kleine Geschichte. Hätte ich sie vorher gekannt, hätte ich wohl auch Ausschau gehalten in Tansania. Nach Josef. Heute lebt Wolfgang Schöller als Professor emeritus in Berlin. Florian Mahler

Am Ammersee, wo es zu schön ist, als dass man politisch sein könnte, war der
Wolferl bei den katholischen Messdienern. Der Wolferl war etwas pummelig oder
barock, was ja zur Klosterkirche passte, die zum Pfaffenwinkel gehört.

Nun, nach Neujahr, wurden die Ministranten in Dreiergruppen eingeteilt, um als
Sternsinger loszuziehen. Der Wolferl war in einer Gruppe, die sogar einen echten Baltasar hatte. Der hieß Friedel, war aus Afrika und wohnte im SOS–Kinderdorf.

Wir hatten Tischtücher um, einen Stern auf einem Besenstiel und eine Schachtel für süßes Zeug und Geld. Vom gesammelten Geld musste jede Gruppe was abgeben, um bei den St. Ottiliern in Tansania ein Heidenkind zu bezahlen, das dann bei den dortigen Patres lesen und schreiben lernte.

Die Gruppe von Wolferl war irre erfolgreich. Wir sangen das Lied von den
Heiligen Dreikönigen; wir bekamen nicht nur bröselige Plätzchen, sondern
auch richtig Geld.

“Ja mei, schauts her da, die ham an echten Neger, ja und die Haar von dem
Baltasar, a echter, kloaner Neger, ja der schaut aber gut aus.”

Unsere Gruppe mit dem Friedel hatte fast 60 DM gesammelt, die anderen Gruppen
hatten mehr Plätzchen als Geld. Von dem gesammelten Geld mussten wir 20 DM abgeben, die nach Tansania gingen.

Nach mehreren Wochen kam ein Brief zum Pfarrhaus:

“Liebe Ministranten, mit Eurem Geld habt Ihr ein Heidenkind gekauft. Der Bube
wurde auf den Namen Josef getauft. Vergelt´s Gott.”

Nach vielen Jahren, als der Wolferl schon in Berlin war, die MEW–Bände las
und von dort an die Uni von Dar es Salaam gegangen war, erinnerte ich mich an
das Heidenkind, das damals gekauft worden war. Ein Josep fand sich nicht
unter den Studenten. Für den hätte ich alles unternommen. Wo mag der sein?

Vielleicht ist er im Kloster geblieben und durfte den Traktor warten und
reparieren und sogar fahren. Vielleicht ist der Josef auch so tüchtig, dass
er anderen, vormals gekauften Heidenkindern beibringen kann, den alten
Traktor zu warten, zu reparieren und sogar zu fahren. That´s development.

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