Vergleich der Kostenstruktur von fossiler, nuklearer und regenerativer Energieerzeugung – Von Gerhard Kilper und Thilo Kilper
Energiewende - aber richtig

Physikalisch-ökologischer Hintergrund verschiedener Energieerzeugungstechnologien

Fast alle Formen erneuerbarer Energien beruhen physikalisch auf der Nutzung der Solarenergie, sei es in direkter Form (Photovoltaik, Solarthermie) oder in indirekter Form (Windenergie, Wasserkraft und Biomasse). Lediglich die Geothermie hat mit natürlichen radioaktiven Prozessen im Erdinnern zu tun. Diese laufen seit Entstehung der Erde ab und führen zur starken Erwärmung des Erdinnern.

Fossile Energieträger wie Erdöl, Erdgas und Kohle sind, genauso wie Biomasse, via Photosynthese gespeicherte Solarenergie. Hochproblematisch im Sinne des Klimaschutzes bzw. der Bewahrung eines lebensfreundlichen Klimas für die Erde überhaupt ist es, dass bei der Nutzung fossiler Energieträger in historisch kurzen Zeiträumen die gleiche Menge Treibhausgase (Kohlendioxid) in die Atmosphäre abgegeben werden, für welche die Natur bei der Bindung aus der Atmosphäre in Wäldern Millionen Jahre benötigte.

Neben als Kosten nicht bezifferbare Klimaschäden treten beim Abbau und bei der Verbrennung fossiler Energieträger auch hohe menschliche Gesundheitsrisiken bei der Förderung und durch die bei der Verbrennung freigesetzten Schadstoffemission sowie erhebliche und zum Teil irreversible Umweltzerstörungen an Flora und Fauna auf. Diese sozialisierten gesamtgesellschaftlichen Kosten fehlen in einzelwirtschaftlichen Kostenrechnungen.

Bei der Nuklearindustrie treten ebenfalls schon zu Beginn der Wertschöpfungskette von der Allgemeinheit zu tragende Kosten in Form von Strahlenschäden bei Arbeitern auf, die in Minen Uranerze abbauen. Bei der Entsorgung des bei der Stromproduktion entstehenden Atommülls zeigt der aktuelle Fall des Bergwerks Asse, wie bei der Bergung havarierter Atommüllfässer Kosten im Milliardenbereich entstehen und von der Allgemeinheit und nicht vom Verursacher Nuklearindustrie getragen werden.

Welche Folgen die faktisch weltweit nicht bestehende Versicherung gegen Reaktorunfälle hat (weil von der Dimension her im Schadensfall von  privaten Versicherungsgesellschaften nicht tragbar), zeigt eindrucksvoll die Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011. Würde der japanische AKW-Betreiber Tepco auch nur einen Teil der entstandenen Gesamtschadenssumme selbst tragen, wäre er schon längst insolvent. Folglich wurde diese größtenteils sozialisiert.

Die drei Kostenblöcke der Produktion elektrischer Energie

Die zur Produktion elektrischer Energie ge- und verbrauchten Ressourcen lassen sich grundsätzlich in die drei Kostenblöcke Fixkosten, variable Kosten und Kosten von Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschäden unterteilen.

Block 1: Fixe Kosten

Das sind insbesondere die beim Bau der Kraftwerksanlagen anfallenden Investitionskosten. Nach Anlagen-Inbetriebnahme stellen sie kostenrechnerisch Abschreibungskosten dar. Bei Kernkraftwerken entstehen zusätzlich Investitionskosten für die Errichtung von Stätten zur Zwischen- und Endlagerung abgebrannter Brennstäbe (die kostenrechnerisch wiederum Abschreibungskosten darstellen). Etwa erforderliche Investitionen für Um- oder Neubauten solcher Endlager sind nicht abschätzbar und als bisher nicht bezifferte kalkulatorische Abschreibungskosten aller künftigen Generationen anzusehen.

Block 2: Variable Kosten

Betriebsstoff-, Lohn- und Gemeinkosten bei Förderung, Transport, Bereitstellung und Verbrennung von Kohle, Öl und Erdgas bzw. Kernspaltung von Uran. Die auf der Erde in endlichen Mengen vorhandenen Betriebsstoff-Ressourcen Kohle, Öl, Erdgas und Uran werden im Zuge ihrer zeitlich absehbaren Verknappung kontinuierlich teurer werden. Bei der Nutzung der Kernenergie entstehen zusätzlich variable Kosten aus der Verbringung abgebrannter Brennstäbe in Zwischen- und Endlagerstätten, sowie deren Wartung und Instandhaltung.

Block 3: Kosten von Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschäden

Für eine Bezifferung dieser Mensch, Fauna, Flora und Boden weltweit (unterschiedlich) belastenden Kosten liegen nur grobe Schätzungen vor. Sicher ist jedenfalls, dass diese Kosten bei Fortdauer der fossilen Energieerzeugung infolge irreparabler Klimaschäden (z.B. infolge des Anstiegs des Meeresspiegels) weiter beträchtlich ansteigen und die ganze Menschheit in verschiedenartig vorstellbaren Szenarien belasten werden.

Die nachstehende Übersicht stellt dar, welche dem Kostenblock 3 zuzuordnenden Kostenfaktoren bei der Nutzung fossiler und nuklearen Energieträger anfallen.

Energieträgerkosten im Vergleich

Fossile Energieerzeugung

Für diese Form der Energieerzeugung entstehen Kosten aus allen drei Kostenblöcken. Die einzelwirtschaftliche Selbstkostenkalkulation berücksichtigt nicht die immensen von Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschäden verursachten Kosten des Blocks 3. In einer gesamtwirtschaftlichen Vollkostenrechnung sind jedoch auch diese Kosten des Blocks 3 als von der Allgemeinheit zu tragende Kosten zu berücksichtigen.

Nukleare Energieerzeugung

Auch bei dieser Form der Energieerzeugung entstehen Kosten aus allen drei Kostenblöcken. Im Block 3 fallen zwar keine Klimakosten und bei Abwesenheit von Reaktorunfällen auch keine direkten Kosten weltweiter Schädigung von Flora und Fauna an (dies betrifft allerdings nur den AKW-Betrieb, beim Abbau von Uranerzen und deren Aufbereitung zu Brennstäben wird jedoch in erheblichen Mengen CO2 freigesetzt). Allerdings sind bei nuklearer Energieerzeugung kalkulatorische Kosten aus Risiken der Freisetzung von Radioaktivität (Strahlenschäden an Menschen, radioaktive Verseuchung großflächiger Gebiete in Nähe des Standortes eines havarierten AKW) anzusetzen. Ein möglicher Reaktorunfall kann hierbei durch verschiedene Risikofaktoren wie  menschliches Fehlverhalten oder technisches Versagen, durch Naturkatastrophen wie Erdbeben und Überschwemmungen, durch Flugzeugabstürze,  kriegerische Handlungen oder durch terroristische Anschläge ausgelöst werden.

Regenerative Energieerzeugung

Bis auf die Biomasse stehen alle als Betriebsstoffe erforderlichen Energieformen (Sonnenlicht, Wind, fließende Gewässer und Erdwärme) unerschöpflich und gratis, also kostenlos bzw. als freies Gut zur Verfügung. Neben den Fixkosten der Investitionen des Blocks 1 fallen als variable Kosten des Blocks 2 nur  Kosten für Wartung und Instandhaltung installierter Anlagen an.

Kostenrechnerisches Fazit

Die alle Kostenfaktoren erfassende gesamtwirtschaftliche Vollkostenkalkulation zeigt, dass bei der Erzeugung elektrischen Stroms aus erneuerbaren Energien

a) keine Betriebsstoffkosten (= Brennstoffkosten) und keine aus der betrieblichen Nutzung von Betriebs- oder Brennstoffen herrührenden variablen Lohn- und Gemeinkosten des Kostenblocks 2 anfallen (außer bei Biomasse) und

b) dass auch die Kosten des Kostenblocks 3 bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien vollständig entfallen.

In einer alle Kostenfaktoren einschließenden gesamtwirtschaftlichen Vollkostenkalkulation ist die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien die mit Abstand kostengünstigste Form des Ressourcenverbrauchs. Durch konsequente Fortsetzung des Ausbaus erneuerbarer Energien wird sich dieser Vorsprung über die Steigerung der Serienfertigungs-Skalenerträge beim Bau neuer Anlagen weiter kontinuierlich vergrößern.

Die Autoren:

Diplom-Volkswirt Gerhard Kilper

Dr.-Ing. Thilo Kilper, Themenfeldleiter “Photovoltaische Systeme” bei NEXT ENERGY in Oldenburg

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