Zitat des Tages/Diätenerhöhung für Bundestagsabgeordnete: “…eine unabhängige Kommission ihre Empfehlungen bezüglich der Stellung der Abgeordneten…”

Heute haben sich die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD gegen Stimmen der Linken und von Bündnis90/Die Grünen ihre Bezüge kräftig erhöht: Sie werden in zwei Schritten um rund zehn Prozent auf dann 9.082 Euro im Monat angehoben. Ausgerechnet die Parteien, die maßgeblich für sinkende bzw. stagnierende Reallöhne der Beschäftigten und das nicht existenzsichernde Hartz IV für Arbeitslose in Deutschland verantwortlich zeichnen und gerade ganz Europa jene Politik des Gürtel enger schnallens verordnen. Insofern kann die heutige Abstimmung zumindest als Psychogramm der Bundestagsabgeordneten dienen, das Auskunft gibt über deren Politikverständnis im besonderen und den Politikbetrieb im Deutschen Bundestag im allgemeinen. Die Abgeordneten berufen sich dabei – auch heute in der Bundestagsdebatte zum Thema – immer wieder auf eine “unabhängige Expertenkommission”. Und die Medien beten dies nach. Wer aber steckt hinter dieser “unabhängigen Expertenkommission”? Dieser Frage sind wir bereits im April vergangenen Jahres nachgegangen. Zunächst jedoch zur Einstimmung einige Zitate aus der heutigen Bundestagsdebatte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn der Debatte zunächst einmal ein Wort des herzlichen Dankes an alle Mitglieder der unabhängigen Kommission sagen, die aufgrund eines einvernehmlichen Auftrags des Deutschen Bundestages zum Ende der letzten Legislaturperiode einen sehr umfangreichen Bericht mit Fragestellungen und Empfehlungen zum Abgeordnetenrecht vorgelegt hat.

Bernhard Kaster, CDU/CSU

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 19. März 2013 hat uns eine unabhängige Kommission ihre Empfehlungen bezüglich der Stellung der Abgeordneten, ihrer Bezüge und ihrer Versorgung vorgelegt…Wir müssen uns wegen unserer Entscheidungen nirgendwo verstecken. Das muss das Selbstverständnis dieses Parlaments sein. Wir können heute etwas vorlegen, das tragfähig ist. Deshalb werbe ich dafür, dass wir das heute gemäß den entsprechenden Empfehlungen der Unabhängigen Kommission auf den Weg bringen und zu einer Entscheidung kommen.

Axel Schäfer, Bochum, SPD

Im Jahr 2011 haben wir uns dazu entschlossen, eine Kommission aus unabhängigen Sachverständigen einzurichten, weil immer wieder Kritik von außen an uns herangetragen wurde. Zentrale Frage: Warum entscheidet ihr das im Parlament eigentlich selbst? Deshalb war es gut und richtig, diese Unabhängige Kommission einzurichten.

Britta Haßelmann, Britta Haßelmann, Bündnis 90/Die Grünen

Wir haben 2011 eine unabhängige Kommission eingerichtet, in die übrigens auch von der Linken und den Grünen benannte Experten entsandt wurden. Alle Fraktionen haben Experten für die Kommission benannt. Diese Kommission hat dieses Thema ausführlich, mehrere Jahre lang, erörtert und eine Empfehlung für die Abgeordnetenentschädigung erarbeitet. Von einer ´heißen Kartoffel´ kann man in dem Zusammenhang nicht reden.

Sonja Steffen, SPD

Unstreitig ist in der Kommission auch die Höhe der Altersentschädigung gewesen.

Dr. Johann Wadephul, CDU/CSU

Ich will noch einmal daran erinnern – mein Kollege hat es schon angesprochen -: Es hat eine Expertenkommission fast eineinhalb Jahre an Empfehlungen zur Reform des Systems ´Abgeordnetenrecht´ gearbeitet. Sie hat 17 Sitzungen abgehalten…Am Ende ist ein umfangreicher Bericht vorgestellt worden. Über diesen Bericht haben wir hier und in den Ausschüssen nie im Einzelnen geredet. Er hat bei der Anhörung eine Rolle gespielt – das ist wohl wahr -; das reicht aber nicht; das ist unangemessen…So forsch Sie nun die Diätenerhöhung angehen, so schaumgebremst sind Sie bei Veränderungen der Altersversorgung. Es gab nicht wirklich ein Signal an irgendeiner Stelle, dass Sie bereit sind, das bestehende System infrage zu stellen. Sie balsamieren mit dieser Gesetzesänderung das bestehende beamtenrechtsähnliche Modell. Die Änderungen sind, wenn man es genau nimmt, eigentlich eher kosmetischer Natur. Da besteht der Leistungsanspruch etwas später, da liegt das Leistungsniveau etwas niedriger, während man durch die Diätenerhöhung schon einen spürbaren Verlustausgleich feststellen kann. Auch ein Rentenanspruch in Höhe von 65 Prozent, bezogen auf unsere Diät, steht, selbst wenn dieser erst nach 26 Jahren bestehen soll, immer noch in einem krassen Widerspruch zum Rentenanspruch der Masse der Bevölkerung, der ja bis 2030 nach Ihren Beschlüssen auf 43 Prozent reduziert werden soll.

Petra Sitte, Die Linke

“Wer sind nun jene ´Experten´?”, haben wir bereits in einem ausführlichen Beitrag zum Thema am 2. April 2013 gefragt. Die Antwort auf diese Frage sei aus aktuellem Anlass im folgenden daraus noch einmal zitiert:

“Ich habe mich beim Deutschen Bundestag erkundigt und die folgende Information erhalten. Wie Sie sich sicher vorstellen können, ist in jener Kommission kein Hartz IV Empfänger oder normaler Arbeitnehmer vertreten. Hier die Beteiligten, wir lassen damit diesen Beitrag enden, die Titel der Herrschaften sprechen für sich. Doch vorab noch dies: Auf einer Seite des Deutschen Bundestages ist auch dies nachzulesen:

´Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem ´Diäten-Urteil´ von 1975 ferner betont, dass das Parlament selbst über die Höhe seiner finanziellen Leistungen entscheiden muss. Ihm ist es nicht gestattet, diese verbindliche Entscheidung auf eine andere Stelle außerhalb des Bundestages wie etwa eine Expertenkommission zu übertragen. Das Gericht hat außerdem geurteilt, dass die Entschädigung nicht an die Beamtenbesoldung gekoppelt werden darf. Aus diesen Gründen beschließt der Bundestag in einem transparenten, vor den Augen der Öffentlichkeit stattfindenden Verfahren im Plenum über die Höhe seiner Entschädigung. Dies ermöglicht dem Volk die wirksame Kontrolle seiner Vertreter. Grundlage für die Entscheidung ist eine Empfehlung des Bundestagspräsidenten, die sich an der Entwicklung der Bezugsgrößen orientiert.´

Urteilen Sie selbst, ob das Volk auf diesem Wege wirklich seine ´Vertreter´ ´wirksam kontrollieren´ kann.

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig

(Vorsitzender), Universität Kiel, ehemaliges Mitglied des Bundestages, Bundesminister a. D.

Dr. h.c. Wolfgang Schultze (stellvertretender Vorsitzender), ehemaliger stellvertretender Bundesvorsitzender der IG Chemie-Papier-Keramik, ehemaliges Mitglied des Niedersächsischen Landtages

Prof. Dr. Brun-Otto Bryde, Universität Gießen, Richter des Bundesverfassungsgerichts a. D.

Rainer Funke, Rechtsanwalt, ehemaliges Mitglied des

Bundestages, Parlamentarischer Staatssekretär a. D.

Martina Neise, Rechtsanwältin, Daimler AG

Prof. Dr. Stefanie Schmahl, LL.M. (E), Universität Würzburg

Prof. Dr. Suzanne S. Schüttemeyer, Universität Halle-Wittenberg

Holger Schwannecke, Rechtsanwalt, Generalsekretär des

Zentralverbandes des Deutschen Handwerks

Carl-Dieter Spranger, ehemaliges Mitglied des Bundestages, Bundesminister a. D.

Prof. Dr. Felix Welti, Universität Kassel, Richter des Landesverfassungsgerichts Schleswig-Holstein

Prof. Dr. Wolfgang Zeh, Universität Speyer, Direktor beim Deutschen Bundestag a. D.

Und diese ´Experten´ haben diese ´Sachverständigen´ angehört:

Frau Ministerialrätin Eugenie Ruppert, Leiterin des Referats PM 1 (Entschädigung von Abgeordneten), Verwaltung des Deutschen Bundestages;

Herrn Leitenden Regierungsdirektor Martin Beck, Leiter der Gruppe E 1 (Unternehmensregister, Klassifikationen, Verdienste, übergreifende Unternehmensstatistiken), Statistisches Bundesamt;

Herrn Leitenden Ministerialrat Matthias Alert, Leiter des Referats Z 1 (Persona

l, Abgeordnete), und

Herrn Regierungsdirektor Walter Dürmeier, stellvertretender Leiter des Referats Z 1 (Personal, Abgeordnete), Bayerisches Landtagsamt;

Frau Ministerialdirigentin Dr. Silvia Brüggen, Vertreterin des Direktors und Leiterin der Abteilung Z (Zentrale Dienste), Verwaltung des Sächsischen Landtages;

Herrn Ministerialdirigenten Dr. Thomas Schürmann, Leiter der Abteilung 2 (Parlamentarische Dienste), und

Herrn Oberamtsrat Uwe Eichstedt, Mitarbeiter im Haushaltsreferat, Verwaltung des Landtages Schleswig-Holstein;

Frau Marlis Grotheer-Hüneke, stellvertretende Direktorin bei der Bremischen Bürgerschaft, und

Herrn Dr. Sebastian Berger, Fachlicher Bereichsleiter Plenardienst, Kanzlei der Bremischen Bürgerschaft;

Herrn Regierungsdirektor René Braun, Referent im Fachbereich WD 6 (Arbeit und

Soziales), Verwaltung des Deutschen Bundestages;

Herrn Peter Jeromin, Direktor beim Landtag Nordrhein-Westfalen, und

Herrn Ministerialrat Hans-Joachim Donath, Leiter des Haushaltsreferats und

Geschäftsführer des Versorgungswerks der Abgeordneten, Verwaltung des Landtages Nordrhein-Westfalen;

Herrn Dr. Gerhard Falk, Geschäftsführer, Versorgungswerk der Presse GmbH;

Frau Andrea Reschka, Leiterin des Vorstandsstabes, und

Herrn Christian Kloß, Versicherungsmathematiker, Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder(VBL);

Herrn Michael Jung, Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. (ABV);

Herrn Hartmut Thiel, Vorstand der Baden-Badener

Pensionskasse VVaG (bbp);

Herrn Prof. Dr. Michael Winter, stellvertretender Verwaltungsdirektor und Leiter der Hauptabteilung Personal, Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF).”

Kurzum könnte man ironisch zusammenfassen: Alles Leute wie Du und ich! Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung veröffentlicht der Deutsche Bundestag am Montag. Wir werden darüber berichten.

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