Chinesischer Staatspräsident spielt beim außenpolitischen Intrigantenstadl des Westens nicht mit

Gestern früh wurde ich beim Hören des Deutschlandfunks – der sich bei der Berichterstattung zur Krimkrise nicht nur durch Sabine Adler mit besonderer Einseitigkeit und Stimmungsmache Gehör verschafft – schon hellhörig. Um kurz vor Fünf wird dort vom Moderator der ausklingenden Sendung immer schon der Moderator der dann folgenden Informationen am Morgen auf die anstehenden Themen interviewt. Gestern stand der Besuch des chinesischen Staatspräsidenten im Mittelpunkt. Der Moderator sagte, während er dieses Thema vorstellte (aus dem Gedächtnis zitiert): Die Bundesregierung hoffe China in der Außenpolitik zu sich herüberzuziehen oder für die Position des Westens zu gewinnen.

Hintergrund hierfür bildet natürlich die Krimkrise. Weil sich China in den Vereinten Nationen zur Frage des Referendums über die Zugehörigkeit der Krim enthalten hat, machte sich “der Westen” offensichtlich Hoffnungen, nun auch mit Hilfe Chinas Russland weiter isolieren zu können. Ich habe dieser Einschätzung von Anfang an nicht allzu große Bedeutung beigemessen. Außer, dass sie ein weiterer Beleg dafür ist, wie “der Westen” seit der Auflösung des alten Ost-West-Konflikts Außenpolitik betreibt. Begonnen mit der Nato-Ausdehnung an die russischen Grenzen und dem damit einhergehenden Verstoß gegen zuvor getroffene Vereinbarungen mit Russland bis hin zum aktuellen, offenen außenpolitischen Intrigantenstadl nicht nur gegen Russland, sondern gegen jeden, der dafür plädiert, auf Dialog zu setzen und einen Weg aus der Krise zu finden, der allen Seiten gerecht wird und entsprechend auch die Fehler “des Westens” mit berücksichtigt, wie auch die Chancen, die sich durch ein Abrücken des Konfrontationskurses gegen Russland bieten.

Vor diesem Hintergrund ist es beruhigend zu lesen, dass Spiegel online feststellen muss (kursive Hervorhebung, T.H.): “In der Ukraine-Krise hofft der Westen auf politische Signale aus China, um Russland weiter zu isolieren. Doch Präsident Xi Jinping spielt bei seinem Deutschland-Besuch nicht mit.

Weiter heißt es dort: “…bei den heiklen Themen dringen die Deutschen nicht durch. Dabei hatte die Bundesregierung Hoffnungen in die Visite Xis gesetzt – nicht, was die Menschenrechte angeht, sondern mit Blick auf ein größeres chinesisches Engagement bei internationalen Konflikten. China, so das Kalkül, könnte sich im Zuge der Ukraine-Krise auch politisch dem Westen nähern.”

Die Enthaltung Chinas zum Referendum auf der Krim bezeichnet Spiegel online als “ein Zeichen des Wandels, einer neuen, verantwortungsvolleren Außenpolitik, die sich zunehmend an westlichen Werten orientiert.” Was es mit den “westlichen Werten” auf sich hat, und was an einer Außenpolitik “verantwortungsvoll” sein soll, die einen ohnehin mit dem Rücken zur Wand stehenden Staat weiter versucht zu isolieren und zu erniedrigen, hinterfragt Spiegel online nicht und spiegelt damit sehr gut das unterirdische Niveau wider, das beim vorherrschenden deutschen Journalismus wie bei der deutschen Außenpolitik in dieser Frage unüberseh- und unüberhörbar ist.

Wenn Xi Jinping stattdessen sagt, China habe eine “offene Haltung zu allen Konzepten, die dazu dienen, die Lage zu beruhigen”, kann man nur hoffen, dass dies “den Westen” endlich aufwachen lässt. Dass Putin und Obama danach erneut miteinander gesprochen und weitere Gespräche vereinbart haben, ist zumindest ein Hoffnungsschimmer. Sollten die Gespräche von beiden Seiten ernsthaft auf Deeskalation setzen und nach einem Weg aus der Krise suchen, der allen Seiten gerecht wird, einen Kompromiss im besten Sinne also, könnte die Welt, vor allem aber die unmittelbar von der Krise betroffenen Menschen endlich wieder aufatmen. Davor ist aber angesichts des aufgebauten Feindbildes wohl nicht so schnell auszugehen.

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