Gedanken zum 6. März

Guten Morgen! Die Ereignisse in Syrien und in der Ukraine, genauso wie die in Afghanistan, Mali und an so vielen Plätzen, Kriegsschauplätzen, dieser Welt, der Umgang mit ihnen, die Militärapparate auf dem ganzen Globus, auch die Berichterstattung darüber und die alltägliche Aggressivität und Gewalt hierzulande und anderswo zeigen doch vor allem eines: Die Menschheit ist im Grunde genommen auch im 21. Jahrhundert keinen Schritt weiter gekommen: Anstatt im Diskurs über eine friedliche Entwicklung und sozialen Ausgleich um die besten Lösungen zu streiten, wird  gekämpft. Das findet schon in der unreflektierten Sprache der politischen Parteien hierzulande seinen Ausdruck: Es wird zumeist nicht von “Auseinandersetzung um…”, sondern vom “Kampf um…” gesprochen. “Der Kampf geht weiter…” ist ein unter Parteileuten gebräuchliches Wort. Wahlkampf! Das fällt und stößt mir schon seit vielen Jahren auf. Und es ist in meinen Augen keine Wortklauberei, hierauf aufmerksam zu machen. Am Anfang steht das Wort. Auseinandersetzung, die ihren Namen verdienen würde, das Suchen nach Argumenten und das Ringen um Argumente, findet in den Parteien, in der Politik dann auch kaum noch statt. Machtkämpfe aber, das Ringen um Posten, auf denen sich dann zumeist ausgeruht wird, mühsam darauf bedacht, dies durch rege Betriebsamkeit zu verdecken, vielleicht auch sich selbst darüber hinwegzutäuschen, sind parteipolitischer Alltag. “Streitbar” zu sein, kommt da schon einem Ausschlusskriterium gleich. Das ist keine Erfindung, sondern Realität im deutschen Politikbetrieb, von ganz links bis ganz rechts! Bundestagsabgeordnete mutieren zu Clowns in einem Zirkus, der mit Talkshow durchaus treffend benannt ist: To talk heißt schließlich reden und nicht etwas sagen, und Show lässt sich vielleicht am Besten durch die im Duden genannten Synonyme charakterisieren: “Aufführung, Bühnenstück, Darbietung, Revue, Schau[stellung], Varieté, Vorführung, Vorstellung; (Jargon) Event; (Theater) Ausstattungsstück”. Freilich ist der Clown im Zirkus ein Künstler, der sein Handwerk, seine Kunst beherrscht. Er spielt seine Rolle bewusst. Das unterscheidet ihn von den politischen Selbstdarstellern. Bundestagsabgeordnete hocken in Ausschussitzungen, in der weiterführende Diskussionen, die über einen Schlagabtausch der politischen Gegner und das Nachplappern von einmal gesetzten “Wahrheiten” hinausgehen, nicht stattfinden. Ausstattungsstücke. Das selbständige Prüfen von Sachverhalten, inhaltlichen Aussagen, Zusammenhängen gleicht der Häufigkeit der berühmten Stecknadel im Heuhaufen. Der Deutsche Bundestag. Ein großer Heuhaufen. Dafür aber auch dort: Show. Aufgetakelte Bundestagsabgeordnete gehen zum Rednerpult und lesen ihre Rede ab. Offensichtlich verbringen sie mehr Zeit in Kaufhäusern und vor dem Spiegel als mit Nachdenken, Lesen und am Schreibtisch. Politik als Oper. Dazu gehört wohl auch, nach Herzenslust zu twittern. Da bleibt natürlich noch weniger Zeit, einmal einen klaren Gedanken oder gar einen relevanten Artikel zu formulieren. Staatsoper. Am Schreibtisch sitzen deren Referenten. Sorgfältig ausgesucht. Bloß keine Unruhe. Hier schnell ein schriftliches Interview getippt, nach Vorgabe des Bundestagsabgeordneten abgeschrieben von einer von der Fraktion gelieferten Vorlage. Dort ein “Bürgerbrief” nach derselben Vorlage beantwortet. Hier ein Mittagessen mit einem Lobbyvertreter, dort eine Veranstaltung, zu der der Abgeordnete begleitet werden möchte. Trotz dieser Arbeit heißt der Mitarbeiter in der Regel “wissenschaftlicher Mitarbeiter”. Vielleicht fängt hier die Selbsttäuschung der Bundestagsabgeordneten an oder sie findet hier ihre konsequente Fortsetzung. In jedem Fall aber dreht sich die Welt der Bundestagsabgeordneten so hübsch um sich selbst. Es ist eine phantastische Welt, eine Phantasiewelt. Dafür geben auch deren “Newsletter”, facebook-Profile und Websites Zeugnis ab. Selbstdarstellung at its best. Inhalte, Kontroversen: Pustekuchen. Würden diese Abgeordneten auch nur einen Funken Selbstreflektion besitzen, wären sie niemals auf den Gedanken verfallen, dasselbe verdienen zu dürfen, wie ein Bundesrichter, wie die Bundestagsabgeordneten jüngst beschlossen haben. Es ist allerdings eine phantastische, eine Phantasiewelt mit wirklichen, allzuwirklichen Folgen. Nicht für die Bundestagsabgeordneten. Aber für die Menschen außerhalb dieser Phantasiewelt, außerhalb des Deutschen Bundestages. Gleichzeitig die Not von Hartz IV Empfängern, Rentnern in Armut, Arbeitslosen, dem Verfall der öffentlichen Infratstruktur und noch viele schreiende Missstände mehr komplett zu ignorieren, ja, politisch weiter voranzutreiben, ist da nur die andere Seite derselben Medaille, die in diesem Fall keine Auszeichnung ist, aber bezeichnend. Ausnahmen bestätigen die Regel! Jetzt aber an die Arbeit.

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