Nato/Krimkrise: Rasmussen hat nicht nur Langzeitgedächtnis, sondern auch Kurzzeitgedächtnis verloren – eine Bedrohung für den Weltfrieden

Zwei Meldungen, die es in sich haben, nicht nur, weil sie deutlich machen, dass die NATO, wie zuvor schon Politiker auf deutscher, europäischer und amerikanischer Ebene, mit zweierlei Maß misst, wenn es um die Einhaltung des Völkerrechts geht und dessen Bedeutung damit nachhaltig unterminiert, sondern auch, weil sie die Frage aufwerfen, wer denn tatsächlich die größere Gefahr für Frieden, Demokratie und Freiheit ist, Russland oder die NATO?

Diese zwei Meldungen hielt der Deutschlandfunk in seinen Vier-Uhr-Nachrichten bereit:

“In Brüssel beraten die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder heute über weitere Sanktionen gegen Russland. Im Gespräch sind Einreiseverbote und Kontosperren. Vor Beginn des zweitägigen Gipfeltreffens wird Bundeskanzlerin Merkel im Bundestag eine Regierungserklärung abgeben. Nato-Generalsekretär Rasmussen bezeichnete die Krim-Krise als größte Bedrohung in Europa seit dem Ende des Kalten Krieges. US-Präsident Obama schloss eine militärische Intervention aus.

“Libyen hat die Vereinten Nationen um Unterstützung bei der Bekämpfung von Aufständischen gebeten. Terroristische Gruppen hätten mehreren Städten den Krieg erklärt, betonte die Regierung in Tripolis. Insbesondere die UNO müsse dabei helfen, gegen diese Gruppen vorzugehen. Wie eine solche Hilfe konkret aussehen sollte, erklärte die Regierung nicht. Die Sicherheitslage in Libyen hat sich in den vergangenen Monaten deutlich verschlechtert. Rebellen haben große Ölhäfen unter ihre Kontrolle beracht. In Bengasi wurden Bombenanschläge und Attentate verübt.”

Die erste Frage, die sich vor dem Hintergrund dieser Meldungen stellt:

Was hat die NATO überhaupt mit der Krim-Krise zu schaffen? Sie ist in keinem der involvierten Länder – Russland, Ukraine – Bündnispartner. Die Antwort hielt ebenfalls heute früh der US-Korrespondent des Deutschlandfunks, Marcus Pindur, bereit (mp3), der, wie Sabine Adler, mit seiner unreflektierten Berichterstattung noch darüber hinaus nicht zum ersten Mal ein schlechtes Licht auch auf die Berichterstattung des Deutschlandfunks zur Krimkrise wirft.

Pindur gibt Rasmussen wieder, der seine Äußerungen bei einem Besuch in Washington kundtat:

“Die russische militärische Agrression gegen die Ukraine sei die größte Bedrohung der europäischen Sicherheit seit Ende des Kalten Krieges…Lange seien nicht mehr so viele Truppen in Europa in Stellung gebracht worden, wie auf der russischen Seite der ukrainischen Grenze…Und schließlich sei die Krise so beunruhigend, weil sie sich direkt an der Grenze zur NATO abspiele…Russland hat sich 1994 dazu verpflichtet, die territoriale Unversehrtheit und die Souveränität der Ukraine zu schützen. Russland hat sich verpflichtet, die Ukraine nicht zu bedrohen oder Gewalt gegen das Land anzuwenden. Weil Russland vertragsbrüchig geworden ist, hat es seine eigene Glaubwürdigkeit als internationaler Akteur beschädigt. Es gebe keine schnelle Lösung gegen solch einen globalen Rüpel vorzugehen…”

Das alles gibt Pindur so wieder, als wäre er der leibhaftige Pressesprecher der NATO. Dabei sind die Aussagen Rasmussens ein echter Skandal. Man stelle sich einmal vor, Sabine Adler hätte ähnliches von russischer Seite vernommen und rufe sich ihre Kommentierungen ins Gedächtnis.

Was Rasmussen nämlich komplett ausblendet, und das muss einen an dessen geistigem Zustand zweifeln lassen, ist, dass entgegen den Vereinbarungen – auf deren Einhaltung Rasmussen ja zurecht pocht – die NATO ihre Einflusssphäre bis an die russische Grenze ausgedehnt hat. Zu sagen, wie Rasmussen es tut, “schließlich sei die Krise so beunruhigend, weil sie sich direkt an der Grenze zur NATO abspiele”, nicht aber die vorangegangene Ausdehnung der NATO bis an die russische Grenze als ursächliches Problem zu erkennen und zu benennen, heißt das eigene Fehlverhalten auszublenden. Darauf hinzuweisen, wäre doch wohl einer an Aufklärung interessierten journalistischen Berichterstattung förderlich gewesen. Das setzt natürlich ein distanziertes Verhältnis des berichtenden Journalisten zum Gegenstand voraus!

Dieses bewusste oder unbewusste Zusammenspiel von verantwortungsloser, weil geschichtsvergessener, selbstgerechter, mit zweierlei Maß messenden Politik auf der einen Seite und distanzlosem Journalismus auf der anderen Seite ist in meinen Augen nicht erst seit der Krimkrise die eigentliche Gefahr für den Weltfrieden. Das zeigt nicht zuletzt die oben ebenfalls aufgegriffene Meldung über die Zustände in Libyen. Russland, nur zur Erinnerung, war es, das sich gegen das NATO-Bombardement in Libyen sperrte und sich vom UNO-Sicherheitsrat übers Ohr gehauen sah. Wohl nicht zu Unrecht. Libyen zeigt zudem, dass nicht nur etwas mit Rasmussens Langzeitgedächtnis nicht stimmt, sondern auch sein Kurzeitgedächtnis dem Zustand der libyschen Infrastruktur zu gleichen scheint, nachdem die NATO den Frieden wieder einmal herbeibomben wollte.

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