Der Eurosolar e.V. hat gestern unter der Überschrift “Die Praxis der Energiewende” gemeinsam mit der Hermann-Scheer-Stiftung und der Eurosolar-Parlamentariergruppe ein bemerkenswertes Symposium in Berlin abgehalten. Die inhaltliche Spannbreite der Vortragenden reichte von der grundsätzlichen Bewertung der sich abzeichnenden politischen Entscheidungen zur Reform des Erneuerbare Energiengesetzes (EEG) über die energiepolitischen Erfahrungen auf Bundesländerebene bis hin zu technischen und auch rechtlichen Fragestellungen. Das hohe Niveau der Vorträge ließ nicht nur die in Politik und Medien bestimmende Berichterstattung in einem gänzlich anderen, mehr als fragwürdigen Licht erscheinen; die trotz der wissenschaftlichen Fundierung auf Allgemeinverständlichkeit zielende Thematisierung der energiepolitischen Problemstellungen warf zudem die Frage auf, warum diese Stimmen in Politik und Medien wenig bis gar kein Gehör finden.
Diese Frage thematisierte Michael Sladek als Vertreter des Bündnisses Bürgerenergie e.V. Er beklagte, dass die Vertreter der erneuerbaren Energien, anders als die der großen konventionellen Energieversorger, gegenüber der Politik nicht mit einer Stimme sprechen würden. Zwar würden auch die großen Energieversorger als Unternehmen in Konkurrenz zueinander stehen, bei der Durchsetzung ihrer gemeinsamen politischen Interessen aber als Einheit auftreten. Und es ist ganz offensichtlich, dass die Vertreter der erneuerbaren Energien dem bisher wenig entgegenzusetzen haben: Sie sind in der politischen und medialen Diskussion praktisch nicht präsent. Die Gründe hierfür mögen mannigfaltig sein. Die Marktmacht und professionelle Interessenspolitik/Lobbyarbeit der konventionellen Energiebranche und die sie unterstützende Industrie mögen hier eine Rolle spielen. Hiergegen scheint, auch was die Kampagnenfähigkeit anbelangt, von Seiten der Vertreter der erneuerbaren Energien noch kein Kraut gewachsen. Dies wurde am Beispiel des Schlagwortes Strompreisbremse thematisiert. Dieses Wort habe es geschafft, die erneuerbare Energien als Kostentreiber in den Köpfen der Menschen zu verankern. Dabei sei es doch gerade umgekehrt. Das aber zu vermitteln, hierfür eine breitere Öffentlichkeit herzustellen, gelingt den Vertretern der erneuerbaren Energien bis heute nicht. Es fehle eben auch an entsprechenden Wortschöpfungen von der eigenen Seite, wurde selbstkritisch eingeräumt. Dabei wurde durchaus deutlich, dass dieses Ungleichgewicht eine demokratische Willensbildung, die auf einer angemessenen Berücksichtigung aller Problemstellungen und Interessen basieren müsste, gefährdet, wenn nicht unmöglich macht. Wenn die Vertreter erneuerbaren Energien hier nicht sehr schnell zu einer professionelleren, durchdringenderen Arbeitsweise finden, drohen sie tatsächlich weiter unterzugehen und mögliche Alternativen für die Energiewende unberücksichtigt zu bleiben. Nicht umsonst wurde das Bild von zwei Zügen bemüht: Der eine, der bereits volle Fahrt aufgenommen habe, der der EEG-Reform, und der andere, der der erneuerbaren Energien-Vertreter, der erst unter Dampf gesetzt werden müsste.
Dass es nicht nur Schatten, sondern auch Licht gibt, zeigte wiederum der Abteilungsleiter Energiepolitik des Landes Thüringen, Martin Gude auf. Sein Vortrag lenkte den Blick auf die vielfältigen Entwicklungen, die auf Länderebene angestoßen werden. Neben den breit angelegten Förderkonzepten für erneuerbare Energien thematisierte er dabei auch die Bedeutung der Gebäudesanierung für eine steigende Energieeffizienz. Sein Stichwort eines integrierten Wärmekonzepts wirft die Frage auf, ob dieses nicht als bundesweites Modell entwickelt werden müsste. Gude problematisierte in seinem Vortrag auch das Problem der Akzeptanz, das sich mit den Veränderungen im Rahmen der Energiewende stelle. Die Bürger für diese Veränderungen zu gewinnen, stellt sich jedoch nicht nur der Politik.
Das machte Horst Meixner deutlich, der mit seinem Unternehmen Windparkprojekte entwickelt. Eindrucksvoll schilderte er den Anstieg der Komplexität des Antragswesens, die damit verbundenen Kostensteigerungen und die Unsicherheit, mit der sich die Projektfinanzierung gegenüber ihren Anfängen, ausgehend von der Aufstellung einzelner Windräder, heute konfrontiert sieht.
Eine immer wieder aufgeworfene zentrale technische Frage wiederum beantwortete der Wissenschaftler Dirk Uwe Sauer von der RWTH Aachen: Detailliert legte er dar, dass das Problem der Speicherkapazitäten längst keines mehr sei. Das Problem, das sich in diesem Zusammenhang stelle, sei vielmehr, dass es für diese keinen Markt gäbe.
Als ein zentrales Problem wurde schließlich von verschiedener Seite der so genannte Wälzungsmechanismus an der Strombörse angesprochen. Hierin zeigt sich vielleicht aber auch die große Herausforderung für die Vertreter der erneuerbaren Energien: Die zum Teil komplexen Sachverhalte, mit denen die meisten Menschen nicht vertraut sind – auch weil diese in der öffentlichen Diskussion nicht angemessen einbezogen werden – so allgemeinverständlich herauszustellen und zu vermitteln, dass sie in die politische Entscheidungsfindung und mediale Berichterstattung Eingang finden. Hierfür scheint angesichts des rasenden Gesetzgebungsverfahrens, das die Reform des EEG vorsieht, und angesichts der wesentlich größeren Präsenz und Einflussmöglichkeiten der Vertreter der konventionellen Energien der Zeiger der Uhr bereits auf fünf nach zwölf zu stehen. Dass die Politik vor diesem Hintergrund auch noch zusätzlich aufs Tempo drücke, indem sie parlamentarische Abläufe bei der Gesetzgebung zu verkürzen suche, wurde in diesem Zusammenhang besonders vehement beklagt. Nicht allein vor diesem Hintergrund, sondern auch Bezug nehmend auf die geplanten Änderungen des EEG sprach Stephan Grüger, sozialdemokratisches Mitglied des Landtages in Hessen und im Vorstand von Eurosolar, von einer “EEG-Deform”. Er betonte dabei auch die Bedeutung des EEG als industriepolitisches Gesetz.
Die im Zentrum der öffentlichen Diskussion stehende Befreiung der Industrie von der EEG-Umlage (Ausgleichsregelung) war schließlich Thema bei der abschließenden Podiumsdiskussion mit Abgeordneten aus Fraktionen in Bund, Ländern und der EU. Der Sachverhalt, dass die Industrien ja entgegen der verbreiteten Meinung explizit gar nicht auf ihre Wettbewerbsfähigkeit geprüft würden, blieb von der SPD-Bundestagsabgeordneten Nina Scheer unwidersprochen. Dass diese Fragestellung in dem dafür zuständigen Ausschuss für Wirtschaft und Energie im Deutschen Bundestag thematisiert wird, muss auch nach der Diskussion bezweifelt werden. Zu tief sitzt ganz offensichtlich die nicht weiter hinterfragte, wie ein Axiom im Raum stehende Sicht, dass mit der Aufgabe oder auch nur Einschränkung der Ausgleichsregelung für die Industrie Arbeitsplätze verloren gingen. Um diesem Problem gerecht zu werden, müsste eben aber überhaupt erst einmal die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie unter die Lupe genommen werden (siehe dazu hier). Politiker von CDU und CSU waren der Einladung von Eurosolar zum Podium wiederum gar nicht erst gefolgt.
Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung hat mit den Referenten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft bereits das Gespräch gesucht und die Beteiligten um Gastbeiträge zu den von ihnen präsentierten Inhalten für unsere Rubrik “Energiewende – aber richtig” gebeten. Wir hoffen, in den kommenden Wochen entsprechende Artikel präsentieren zu können, die die zweifellos wichtigen und in der öffentlichen Diskussion unterrepräsentierten Fragestellungen vertiefen helfen und einem breiteren Leserkreis zugänglich machen.
—
Dieses Medium finanziert sich ausschließlich über Abonnements und Spenden. Noch sind diese nicht Existenz sichernd. Guter Journalismus muss bezahlt werden, um zu überleben. Deswegen:
Abonnieren Sie Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung oder spenden Sie bitte an:
Sie können helfen, unseren Leserkreis zu erweitern!
Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.
————————————————————-
Dieser Text ist mir etwas wert
|
|