Berlin soll ein neues Hundegesetz erhalten. Einige Medien suggerierten sogar schon im vergangenen Jahr, dass es bereits da ist. Aus verlässlichen Kreisen weiß Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung jedoch, dass den Abgeordneten bis heute noch nicht einmal der Gesetzentwurf vorliegt. Aber hätte einen das bei einem Bürgermeister Klaus Wowereit und einer Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz, die meint, erst, nachdem der Gesetzentwurf das parlamentarische Verfahren durchlaufen hat, dürfe die Öffentlichkeit davon erfahren, nicht auch überrascht? Jetzt haben die Grünen in einer Art vorauseilendem Gehorsam einen Antrag für ein neues Hundegesetz vorgelegt. Das, was aus ihm herauszulesen ist, dürfte vom Gesetzentwurf der großen Koalition kaum übertroffen werden. Sie nennen es nicht Hundegesetz, sondern “Gesetz zur Sachkunde von Hundehalter/-innen zum Schutz vor Gefahren durch Hunde in der Stadt (Hundehalter/-innengesetz)“. Es verspricht für Hund und Hundehalter wie für ein liberales Stadtbild nichts gutes, sondern, im Gegenteil, Ordnungswahn, Tierquälerei und Geschäftemacherei.
Allein der oberlehrerhafte Titel des Antrags trieft vor Paternalismus und stellt den Hund als Bedrohung dar. Der Antrag enthält Vorschriften, die gegenüber dem alten Hundegesetz nicht neu sind, und die wir daher hier nicht diskutieren müssen.
Neu ist “§ 4 Hundeführerschein, Zuverlässigkeit und persönliche Eignung von Hundehalter/-innen”. Darin steht in Absatz 1:
“(1) Wer einen Hund hält, muss über die erforderliche theoretische Sachkunde verfügen. Als Nachweis der Sachkundeprüfung erhält der/die Hundehalter/-in einen Hundeführerschein, der mitzuführen ist. Die Sachkunde ist vor Anschaffung des Hundes zu erwerben oder bei bestehenden Hundehaltungen nach entsprechender Bekanntmachung durch die zuständigen Behörden abzulegen. Der Hundeführerschein ist mit sich zu führen.
In der theoretischen Sachkundeprüfung sind die erforderlichen Kenntnisse nachzuweisen über
1. die Anforderungen an die Hundehaltung unter Berücksichtigung des Tierschutzrechts,
2. das Sozialverhalten von Hunden und rassespezifische Eigenschaften von Hunden,
3. das Erkennen und Beurteilen von Gefahrensituationen mit Hunden,
4. das Erziehen und Ausbilden von Hunden und
5. Rechtsvorschriften für den Umgang mit Hunden.”
Das ist einfach nur lächerlich. Natürlich ist es richtig, dass ein Hundehalter über die erforderlichen theoretischen und praktischen Erkenntnisse und Kenntnisse der Hundehaltung verfügen sollte. Eltern sollten bei der Erziehung ihrer Kinder auch über die theoretischen und praktischen Kenntnisse der Erziehung und Bildung verfügen. Gibt es deswegen einen Kinderführerschein? Das wäre mir entgangen. Berücksichtigt man allein den Umgang vieler Eltern mit ihren Kindern in der Öffentlichkeit, wundert man sich, dass es ihn noch nicht gibt. Und, an die aufgeschreckte Leserin, an den aufgeschreckten Leser: Keine Sorge, auch als Hundebesitzer stehen bei mir Kinder höher im Kurs als die Vierbeiner, und es gibt vielleicht keine schlimmeren Hundebesitzer, als diejenigen, die ihr Tier wie ein Kind behandeln bzw. damit gleichsetzen. Ich möchte mit diesem Vergleich nur darauf aufmerksam machen, dass bestimmte gesellschaftliche Missstände nicht mit Gesetzen, Vorschriften und Strafen überwunden werden, sondern unter anderem mit Aufklärung und Bildung. Das kostet natürlich Geld und bringt dem Staat nicht unmittelbar – wie es der Antrag der Grünen für ein neues Hundegesetz vorsieht – Geld ein.
Interessanter noch ist die Berufung der Grünen auf das Tierschutzrecht. Als ob die Leinenpflicht für Hunde, die der Antrag der Grünen fast ausnahmslos vorsieht, etwas mit Tierschutz oder tiergerechter Haltung zu tun hätte. Das Gegenteil ist der Fall!
Die Grünen bedienen mit ihrem Antrag althergebrachte und immer wieder geschürte Vorurteile und Ängste eines intoleranten und – beides bedingt sich häufig – unwissenden Teils der Bevölkerung. Es ist ein populistischer und, weil er wohl auch auf eine bestimmten, realen oder potenzeillen Teil der grünen Wählerschaft zielt (etepetete-Typen, militante Radfahrer, denen mal ein Hund über den Weg laufen könnte, paranoide Eltern, die während ihr Kind begeistert auf den Hund zeigt, in Panik ausbrechen usw.) auch opportunistischer Antrag, der dazu geeignet ist, das liberale Stadtbild in offenes Denunziantentum und Ordnungswut umschlagen zu lassen (siehe dazu auch hier).
Passend dazu der polizeistaatliche Ton, den die Grünen in ihrem Antrag anschlagen:
“Wer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes einen großen Hund hält, der das achte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist verpflichtet, nach öffentlicher Aufforderung in den üblichen Tageszeitungen, spätestens jedoch nach Ablauf von vierundzwanzig Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes seinen Hund der Prüfstelle vorzuführen und die Prüfungstermine zu vereinbaren.”
Ein Hund aber bewegt sich in der Regel friedlich und ausgeglichen ohne Leine, und er ist es in der Regel, der den stur geradeaus stampfenden Passanten wie selbstverständlich ausweicht. Wenn der Tierschutz, wenn entsprechende Lobbygruppen bei diesem Antrag, wie überhaupt bei einer allgemeinen Verschärfung der Gesetzgebung für Hund und Hundehalter nicht aufschreien, sondern sich über einen vermeintlichen “Bello Dialog” (siehe ebenda) einlullen lassen, verraten sie den Tierschutz.
Jeder, der Hunde als Bedrohung darstellt, so wie es die Grünen in ihrem Antrag tun, sollte einmal die menschliche Verbrechensstatistik mit der von Hunden vergleichen. Gerade in Berlin!
Ansonsten gilt, was ich bereits im vorangegangen Beitrag zum Hundegesetz geschrieben habe:
“Ich schreibe das als jemand, der kritischen Nicht-Hundebesitzern immer sagt, das ich sie verstehe. Weil es eben so viele Hundebesitzer gibt, die ihr Tier nicht richtig erziehen. Um dem gerecht (!) zu werden, müsste der Gesetzgeber allerdings dafür sorgen, dass jene Hundebesitzer keine Hunde halten dürfen, nicht aber, wie es die Berliner Regierung jetzt wohl plant, dafür alle Hundebesitzer in Geiselhaft zu nehmen bzw. mit Auflagen zu bestrafen.”
Und die Grünen wären nicht die Grünen, wenn sie aus der ganzen Angelegenheit nicht auch gleich ein Geschäft machen wollten. Und so soll ein Hundeführerschein natürlich Geld kosten. Kein §, der die arme Rentnerin, den Hartz-IV-Empfänger oder die vielen Niedriglöhner – alle durch Gesetze der Grünen und der SPD unter Schröder dazu gemacht! – von den Kosten befreien würde, ist in dem Antrag der Grünen zu finden. So lassen sich natürlich neue Kleinkriminelle schaffen, die aus finanzieller Not den Hundeführerschein nicht machen können. Am Ende landen die betroffenen Hunde dann ja vielleicht im Tierheim. Ende gut alles schlecht. So schlecht wie der Antrag der Grünen, wie überhaupt die Idee, das Berliner Hundegesetz verschärfen zu wollen, nur damit einige intolerante, rücksichtslose, selbstbezogene, unwissende Menschen zu ihrem “Recht” kommen und weitere Millionen – zusätzlich zu den fast 11 Millionen Euro Hundesteuer, die Berlin durch die Hundebesitzer jährlich einnimmt, dafür aber kaum Infrastruktur für Hund und Mensch schafft – abzukassieren. Die Grünen: für Tierschützer, tolerante Menschen, die für ein liberales Miteinander von Mensch und Tier sind, für ein Leben und Leben lassen, unwählbar!
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