“Der Westen”, deutsche PolitikerInnen und deutsche Medien reden sich den Mund fusselig über die Umarmung Schröders und Putins. Wer hätte gedacht, dass nach Sabine Adler, Marieluise Beck, Werner Schulz, Rebecca Harms, Kathrin Göring-Eckhardt und vielen anderen MitstreiterInnen das Niveau noch einmal unterschritten werden könnte? Aber das war für die PolitikerInnen und JournalistInnen gar kein Problem. Der Spielraum nach unten erscheint geradezu unbegrenzt. Eine geistige Deflation sozusagen. So schnell kommt man gar nicht hinterher, den fallenden Intellekt zu messen, ihn überhaupt noch zu messen.
Peter Kapern hat sich im Deutschlandfunk diese Woche hervorgetan, indem er schon gern einmal das “sowjetische Joch” oder den “Gulag” bemühte, wenn es um Russland und Putin ging. Herrlich! Ich warte nur auf das erste Buch, dass der “Psychologie der Berichterstattung über die Ukraine-Krise” auf den Grund geht. Eine gute Portion kalte Kriegs geplagte, unwidersprochene, unreflektierte Erziehung scheint mir jedenfalls ein wahrscheinliches Ergebnis einer solchen Studie. Der deutsche Journalismus in der Ukraine-Krise: Ein großes Kinderzimmer. Ein gedankenloses Opfer der Sozialisierung des Kalten Krieges. Fast schon traumatisiert erscheint er mir. Und wir alle müssen ihnen zuhören, hören, wie sie sich in ihren Ängsten vor dem bösen Russen winden und quälen, und können ihnen doch nicht helfen. Im Gegenteil, weil die Bevölkerung zu großen Teilen bei der daraus resultierenden Propaganda, dem Aufbau von Feindbildern, der Einteilung der Welt in gut und böse, nicht mitspielen mag, weil sie nicht so traumatisiert ist wie es die armen JournalistInnen und PolitikerInnen sind, weil sie sich offensichtlich ihr eigenes Bild von der Lage macht, müssen sich die armen JournalistInnen und PolitikerInnen unverstanden fühlen; und weil sie eben so weit weg in ihrer eigenen Welt leben, macht sie das nur umso bockiger, gereizter, verzweifelter.
Da ist es schon fast niedlich, wie Marina Weisband, ehemalige Spitzenpolitikerin der Piraten, sich des Konfliktes annimmt. Denn soviel Naivität hilft ihr ja vielleicht wirklich, wenn sie auch nicht zur Überwindung des Konflikts beitragen kann.
Wo bekommt man bloß eine so große Couch und einen so wackeren Psychologen her, dass man die Beteiligten alle einmal gemeinsam drauf setzen und therapieren lassen, vorsichtig mit der Wirklichkeit in Berührung bringen kann. Höchste Zeit wäre es.
Marina Weisband zur Umarmung von Putin und Schröder und ihr ultimativer Lösungsvorschlag zur Überwindung der Ukraine-Krise, womit sie sich den Zutritt zu den kommenden Talk-Shows und Interviews gesichert haben dürfte:
Das hat eine symbolische Ebene, die ich komplett falsch finde. Weil es eine, ja hast du gut gemacht Geste ist, und das ist komplett falsch, bei dem, was Putin zur Zeit tut. Er schürt diesen Konflikt, er könnte im Alleingang, dieser einzelne Mensch, diesen gesamten Konflikt beilegen, indem er mit dem Osten spricht, zum Osten spricht, zu den Menschen dort spricht. Das tut er nicht.
Quelle: Deutschlandfunk (mp3) (im Originalton ist es noch viel schöner!)
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