Heute Informationen am Abend im Deutschlandfunk. Martin Zagatta, der übrigens einer der wenigen ist, die sich durchweg um eine sachliche Berichterstattung und entsprechende Interviews bemühen, interviewt seinen Kollegen Robert Baag in Moskau zur jüngsten Entwicklung im Konflikt um die Ukraine. Putin, so die jüngste Entwicklung, hat sich heute für eine Verschiebung des für den 11. Mai angesetzten Referendums über eine mögliche Abspaltung der Ost-Ukraine ausgesprochen (hier ein Bericht auf dazu). Das Interessante an dem Gespräch war, wie negativ Baag diesen Schritt Putins auslegt. Was Putin auch tut, er ist immer verdächtig.
Wenn die Separatisten Putins Vorschlägen tatsächlich folgen würden, so Baag, würde dies ja den generellen Einfluss Putins belegen. Rückschluss bzw. Kurzschluss von Baag (zum Nachhören, mp3): Es “wäre ja indirekt der Beweis dafür, dass Moskau, dass der Kreml Einfluss auf sie hat. Tun sie es nicht, kann Putin sich seine Hände in Unschuld waschen und sagen, ich hab´s ja versucht.” Solche Auslegungen wurden übrigens von verschiedener Seite in Medien und Politik auch bereits nach der erfolgreiche Befreiung der Militärbeobachter getroffen.
Das, was Baag da von sich gibt, ist wohlgemerkt kein Kommentar, sondern normale Berichterstattung im Rahmen der Informationen am Abend. Den Kommentar aber zu diesem nun wirklich erleichternden Ereignis, das da heute in Moskau stattgefunden hat, spricht wenig später ebenfalls Baag im Deutschlandfunk.
Für Baag sind das, was er da heute aus dem Kreml gehört hat, “neue Töne” von Putin, “vordergründig”, versteht sich. “Tarnen und täuschen als Werkzeuge aus der politischen Trickkiste des Kreml hat man, mit Verlaub, in den vergangenen Wochen oft genug registrieren müssen – zunächst mit Erstaunen, dann mit Fassungslosigkeit und endlich wohl nicht selten mit mühsam unterdrückter Wut.”
So Baag in seinem Kommentar heute (nachzulesen hier). Baag hat das wohl für sich – und leider auch für den Deutschlandfunk – tatsächlich so “registrieren müssen“. Immerhin ist auch Baag dafür, “dass das Schießen und Sterben in der Ukraine endlich aufhört.”
Am 19.04. griff Baag noch die “Putin-Versteher” – das ist für ihn, der sich offensichtlich schon seine Meinung über Putin gebildet hat oder die “gängige” nachbetet, natürlich ein Schimpfwort; wenn aber Verstehen zum Schimpfwort wird, ist immer Vorsicht geboten! – scharf an: “Ernüchterung” würde bei jenen “Putin-Verstehern” eintreten, so Baag. Gerade erst war das Genfer Abkommen beschlossene Sache, da streute Baag schon wieder Misstrauen – natürlich nur gegen Russland. Ein feiner Journalist.
Baag: “Nüchterner Realismus und nicht verzeihendes Wunschdenken hinsichtlich der Absichten Putins sollte jetzt die Agenda der Russlandpolitik bestimmen.”
Wer so redet ist eines jedenfalls nicht: ein nüchterner Realist. Wenn Lawrow, der russische Außenminister, sagt, “Gewalt sei kein Mittel, um den innerukrainischen Konflikt zu lösen”, und sich damit für jeden halbwegs vernunftbegabten und friedliebenden Menschen als nüchterner Realist erweist, tut er das bei Baag “mit undurchdringlicher Miene”.
Interessant auch diese Aussage Baags im selben Kommentar: “Allen vordergründig nach Kompromissbereitschaft klingenden Bekundungen aus dem russischen Machtzentrum zum Trotz hat sich am gängigen Eindruck nichts geändert: Kernziel der Putin’schen Ukrainepolitik ist ein instabiler, schwacher und somit jederzeit erpressbarer Nachbarstaat…” Putins Kompromissbereitschaft ist für Baag schon am 19.04. “vordergründig”. Und Baag outet sich, wirklich peinlich, indem er explizit zugibt nur einen “gängigen Eindruck” wiederzugeben. Und der ist in der Tat in den letzten Wochen und Monaten im Deutschlandfunk und anderswo in wirklich beängstigender Weise “gängig” gewesen.
Insofern ist Baag ein gängiges Beispiel für einen wirklich schlechten Journalismus in meinen Augen, der vor Parteinahme und Feindseligkeit nur so trieft. “Möglichst”, “angeblich”, “offenkundig” ist dabei die “journalistische Trickkiste”, mit der Baag arbeitet. Peinlich, peinlich. Aber anscheinend das Niveau, mit dem man beim Deutschlandfunk auf Sendung gehen darf. Zumindest, wenn es gegen Russland geht. Ob es auch geduldet würde, so viel Misstrauen gegen die USA zu streuen? Wenn das der Fall wäre, was ich nicht glaube, würde ich darüber genauso kritisch schreiben, um nur ja keine Missverständnisse aufkommen zu lassen!
Noch ein Baag-Satz, der aufzeigt, mit was für einem Heißsporn wir es hier zu tun haben. Das war wohlgemerkt am 19.04. Wäre Putin so gepolt wie Baag (nur natürlich “auf der anderen Seite”), dann gäbe es in der Tat wohl keine Chance auf Frieden.
“Nüchterner Realismus und jedenfalls nicht – wie noch in jüngster Vergangenheit so oft geschehen – verzeihendes Wunschdenken hinsichtlich der wahren Absichten Putins und seiner neo-großrussischen Falken sollte jetzt die Agenda der künftigen Russlandpolitik bestimmen – in Berlin, Brüssel sowie in den anderen europäischen Hauptstädten. Erste Signale in dieser Richtung lassen sich erfreulicherweise bereits so interpretieren. Denn: Selbst bei manchen so genannten “Putin-Verstehern” – wie überstrapaziert dieser Begriff inzwischen auch sein mag – scheint mittlerweile vorsichtige Ernüchterung und wenn auch zaghaftes Umdenken einzusetzen.”
So geht es munter weiter in Baags Kommentaren. Ich empfehle sie unbedingt in Gänze zu lesen. Und ich bin wirklich froh, dass nicht er es ist, der Russland regiert oder die USA.
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