Alltag im Regierungsviertel: Begegnung mit Müntefering

Eine kurze Mittagsrunde mit meiner vierbeinigen Kollegin. Durch das Regierungsviertel. 13 Uhr 20. Auf der Gustav-Heinemann-Brücke kommt mir Franz Müntefering entgegen. Maßgeschneidert sitzt sein in einem sommerfrischen Hellblau gehaltener Anzug. Ein echter Sunny-Boy, der Münte, denke ich. Und ich überlege kurz, was teurer war, der Anzug oder der Gürtel, der seine Hose hält. Ich schaue ihn an. Er schaut mich an. Er fühlt sich erkannt und lächelt, eitel wie PolitikerInnen nun einmal in der Regel sind. Besonders diejenigen, die behaupten, es nicht zu sein oder damit kokettieren.

Münte hätte sich allerdings besser ertappt gefühlt. “Warum haben Sie bloß unsere Rente zerstört?”, raunze ich ihn an im Vorbeigehen und ohne eine Antwort zu erwarten. “Schämen sollten Sie sich”, rief ich noch hinter ihm her. Neben mir begann ein junges Pärchen zu kichern, zwei Touristen, wie sich schnell herausstellte. “It must be a politician”, sagt er zu mir. “Yes, he destroyed our social security system. A leading social democrat. But only the name of the party is left.”

Und ich frage mich, wann Müntefering wohl zuletzt jemand diese Frage gestellt hat. Ob ihn überhaupt einmal jemand so direkt danach gefragt hat. Eine oder einer dieser so genannten Hauptstadt-JournalistInnen. Hätte ich etwas mehr Zeit gehabt, hätte ich Müntefering zuerst freundlich angesprochen und ihn gefragt, ob ich ihn einmal fotografieren dürfe. Da hätte er sich bestimmt gebauchpinselt gefühlt. Dann wäre meine Frage, warum er bloß unser Rentensystem zerstört hat, natürlich noch viel wirkungsvoller gewesen. Aber unter dem Strich lässt einer wie Müntefering, der unser Sozialsystem so gewissenlos zerstört hat, solch Frage vermutlich so oder so an sich abperlen. Es ist ja nicht seine Rente. Seine Rente ist nicht nur sicher, sie ist auch üppig.

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